Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
herausstellte, besaß er nicht einmal einen eigenen Becher, trank einfach immer nur aus dem, der gerade greifbar war. Am Ende steckte er ein paar billige Kulis und ein seit einem geschlagenen Jahr abgelaufenes Tütchen Lemsip ein.
»Die Grippe hatten Sie letzten Dezember«, erinnerte ihn Clarke.
»Hab aber trotzdem meinen elenden Kadaver ins Büro geschleppt.«
»Und eine ganze Woche lang geniest und geächzt«, fügte Phyllida Hawes, die Hände in die Hüften gestemmt, hinzu.
»Und mich angesteckt«, ergänzte Tibbs.
»Hach, was haben wir doch für Spaß gehabt«, sagte Rebus mit einem theatralischen Seufzer. Von DCI Macrae weit und breit keine Spur – allerdings hatte er Rebus eine Notiz hinterlassen mit der Aufforderung, seinen Dienstausweis auf den Schreibtisch in seinem Büro zu legen. Derek Starr schien ebenfalls nicht da zu sein. Es war sechs durch, was bedeutete, dass er sich vermutlich in einem Klub oder einer Weinbar befand, um die Erfolge des Tages zu feiern. Rebus sah sich im CID-Raum um. »Ihr habt mir wirklich nichts gekauft, ihr knickrige Saubande?«
»Schon mal gesehen, was Golduhren kosten?«, fragte Clarke mit einem Lächeln. »Andererseits ist das Nebenzimmer vom Ox für den Abend reserviert und ein Topf von hundert Piepen bereitgestellt – was wir heute Abend nicht versoffen kriegen, bleibt anschließend für Sie übrig.«
Rebus ließ sich das durch den Kopf gehen. »Darauf läuft’s also nach all diesen Jahren hinaus: Sie wollen, dass ich mich zu Tode saufe?«
»Und wir haben für neun einen Tisch im Café Saint Honore bestellt – in Torkelentfernung vom Ox.«
»Und Torkelentfernung wieder zurück«, fügte Hawes hinzu.
»Nur wir vier?«, fragte Rebus.
»Es könnten sich auch ein paar mehr blicken lassen – Macrae hat versprochen vorbeizuschauen. Tam Banks und Ray Duff … Professor Gates und Dr. Curt … Todd und seine Freundin …«
»Die kenn ich doch kaum«, protestierte Rebus.
Clarke verschränkte die Arme. »Ich musste ihm ziemlich gut zureden, also glauben Sie bloß nicht, dass ich die beiden jetzt wieder auslade!«
»Meine Party, aber Ihre Regeln, was?«
»Und Shug Davidson kommt ebenfalls«, erinnerte Hawes Clarke.
Rebus verdrehte die Augen. »Ich stehe wegen der Cafferty-Sache also noch immer unter Verdacht!«
»Shug scheint das nicht so zu sehen«, entgegnete Clarke.
»Und Calum Stone?«
»Ich dachte nicht, dass er gern kommen würde.«
»Sie wissen verdammt genau, was ich meine.«
»Wären wir so weit?«, fragte Hawes. Alle sahen Rebus an, und er nickte. Eigentlich hätte er noch gern fünf Minuten für sich gehabt, um sich anständig vom Laden zu verabschieden. Doch egal, Gayfield Square war schließlich bloß eine Wache wie jede andere. Der alte Priester, den Rebus einmal gekannt hatte, inzwischen seit Jahren tot, hatte mal gesagt, die Cops seien auch eine Art Priester, und die ganze Welt sei ihr Beichtstuhl. Stuart Janney hatte seine Beichte noch nicht abgelegt. Eine Nacht in der Zelle würde ihm Gelegenheit geben, seine Optionen zu überdenken. Morgen oder am Montag würde er in Abwesenheit seines Anwalts Siobhan Clarke seine Version der Geschichte erzählen. Rebus nahm nicht an, dass Siobhan sich wie ein Priester fühlte. Er beobachtete jetzt, wie sie in ihren Mantel schlüpfte und sich vergewisserte, dass sich alles, was sie brauchte, in ihrer Umhängetasche befand. Ihre Blicke begegneten sich für einen Moment, und beide lächelten. Rebus ging in Macraes Büro und legte seinen Dienstausweis auf den Schreibtisch. Er dachte an alle Polizeiwachen zurück, die er gekannt hatte: Great London Road, St. Leonard’s, Craigmillar, Gayfield Square. Männer und Frauen, mit denen er zusammengearbeitet hatte, die meisten von ihnen pensioniert, einige schon seit langem tot. Gelöste und ungelöste Fälle, Tage auf dem Gericht, stundenlanges Warten darauf, seine Zeugenaussage zu machen. Papierkrieg und juristische Faxen und allerlei Verbocktes. Weinende Opfer und Angehörige. Alles abstreitende Angeklagte. Des Menschen Dummheit bloßgelegt, sämtliche biblische Todsünden ausgebreitet – und noch ein paar außerbiblische dazu.
Ab Montag früh würde er seinen Wecker nicht mehr brauchen. Er konnte den ganzen Tag am Frühstückstisch verbringen, seinen Anzug wieder in den Schrank hängen, um ihn nur noch für Begräbnisse herauszuholen. Er kannte die ganzen Horrorgeschichten – Leute, die in Rente gingen und eine Woche später in der Kiste lagen,Verlust der Arbeit
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