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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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in nur einem einzigen Augenblick.

Kapitel 14
    Ein neues Ausmaß der V erzweiflung
    »Eine Bucht«, murmelte Richard, während er die Wand bemalte. Die silberne Farbe sah fantastisch aus vor dem tiefblauen Hintergrund. Er trat einen Schritt zurück, um die Wirkung zu betrachten. »W ind.«
    Obwohl seine Wohnung nur gemietet war und er zweifellos nur für kurze Zeit hierbleiben würde, hatte Richard sich entschlossen, seine Umgebung ein wenig behaglicher zu gestalten. Sein Schlafzimmer war nicht groß, und sein Bett bestand lediglich aus einer losen Matratze, die auf dem Boden lag. Ein kleiner Altar in einer Zimmerecke war über und über mit rotem Kerzenwachs bedeckt. Aber die leuchtend blauen Wände machten gute Laune, und nun war er gerade dabei, sie mit silbernen Symbolen und Runen zu bemalen, die den Raum in einer durchgehenden Leiste einfassten.
    »C ollet«, sagte er und tunkte seinen Pinsel in die Farbe. Er malte zwei kleine Kreise, die er durch eine u-förmige Linie miteinander verband. Eine Halskette. Etwas von der silbernen Farbe tropfte auf seine nackte Brust. Abwesend wischte er mit dem Finger darüber, legte den Pinsel zur Seite und zündete sich eine Zigarette an. Er stand in der Mitte des Raums und plante gerade die weitere Gestaltung, als er die Tür der Wohnung laut zuknallen hörte.
    Richard grinste bitter. Was für eine Überraschung, Luc war immer noch schlecht gelaunt. Er hörte, wie in der Küche diverse Schranktüren aufflogen und eine Flüssigkeit in ein Glas gegossen wurde. Schritte kamen den Flur herunter, dann stand Luc in der Tür und nahm einen Schluck von seinem Drink.
    »W enn das der Rest von meinem Scotch war, hau ich dir eine rein«, sagte Richard gelassen.
    »I ch hab dir was für dein Frühstück morgen übrig gelassen«, erwiderte Luc, während er Richards Werk betrachtete. »D u wirst hier alles neu streichen müssen, bevor du ausziehst.«
    Richard zuckte die Achseln, ein feiner Rauchfaden entwich seinem Mund, und er stippte die Asche auf den Boden.
    Lucs Augen wurden schmal, als er ein paar der Symbole genauer betrachtete. »V eranstaltest du hier irgendwas Spezielles, Riche, oder geht es dir nur um die Deko?«
    Richard warf ihm einen Blick zu. »D eko.«
    Luc ging zur Wand und klopfte auf das Feder-Symbol. »P lume? Collet? Tache? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du was ausheckst.«
    Richard sah ihn gleichmütig an. »W ie gut, dass du es besser weißt.«
    Mit düsterem Blick trank Luc weiter.
    Ah, die Zwillinge, dachte Richard. Die wunderschönen Zwillinge, mit Haar so schwarz wie die Nacht und Augen so grün wie die See. Cerises Augen. Armands Haar. Schon seltsam, dass ihr Aussehen über so lange Zeit hinweg so unverändert weitergegeben wurde. Jede Tochter– Tochter nach Tochter nach Tochter– hatte geheiratet. Einige waren Männer aus der famille gewesen, andere nicht. Doch trotz des vielfältigen genetischen Materials, das sich mit hineingemischt hatte, standen die Zwillinge nun hier als identische Kopien von Cerise. Es war, als würden sie allein von ihr abstammen, ohne dass ihr Blut immer wieder mit anderem verwässert worden wäre.
    Den Mund zu einem dünnen, grimmigen Strich verzogen, griff er sich ein T-Shirt und zog es sich über. Vorsichtig ließ er die Zigarette dabei von einer Hand in die andere wandern.
    »P etra ist zurückgekommen, weißt du schon?«, sagte er.
    Luc blickte auf. »W irklich? Wann? Wo war sie?«
    »G estern. Anscheinend war sie im Norden, um Michel Allards Testament zu ändern.«
    »I nwiefern ändern?«, fragte Luc.
    Um ihn noch ein bisschen auf die Folter zu spannen, zog Richard beiläufig an seiner Zigarette. »S ie hat die Vormundschaft für Thais bekommen. Hat das Mädchen aus Axelles Wohnung herausgerissen wie ein Huhn aus dem Fuchsbau. Aber wahrscheinlich weißt du das schon.« Aus dem Augenwinkel beobachtete er Luc, sah, wie er sich mit der Hand durch das bereits verstrubbelte Haar fuhr und wie sich ein neues Ausmaß der Verzweiflung auf seinem Gesicht widerspiegelte.
    »T hais wohnt nicht mehr bei Axelle?«, fragte Luc und versuchte, ruhig zu klingen, was ihm jedoch jämmerlich misslang. Es schien ihn schwer erwischt zu haben, eine beunruhigende Tatsache. Okay, mach mit ihnen rum, kein Problem. Aber mehr? Das könnte … gefährlich sein.
    Solange niemand den anderen daran gehindert hatte, zu bekommen, was er wollte, waren Richard und Luc immer miteinander ausgekommen. Und bis jetzt hatten sie noch nie dasselbe

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