Ein Ring von Tiffany - Roman
aussprechen konnte. Jetzt war ein Jahr vorüber, und sie wartete immer noch darauf.
Sie riss sich von ihrem Manuskript los und schlug einen sirupsüßen Ton an. »Du hast recht, in den letzten Wochen war alles ein bisschen hektisch, aber so ist es immer um diese Jahreszeit. Kaum hat der Juni angefangen, geht alles drunter und drüber. Ich verspreche dir, es wird auch wieder besser.«
Leigh hielt die Luft an und machte sich auf eine Explosion gefasst (auch wenn Russell bis jetzt noch nie die Beherrschung verloren hatte). Es konnte doch gar nicht anders sein, als dass er sich über ihren herablassenden Ton empörte und es sich verbat, dass sie mit ihm redete wie eine Mutter mit einem zurückgebliebenen Kleinkind, das gerade einen Klacks Erdnussbutter auf dem Teppichboden verschmiert hat.
Aber Russell regte sich nicht auf, er lächelte! Und nicht etwa widerwillig oder genervt, sondern verständnisvoll und entschuldigend. »Ich will dich doch nicht unter Druck setzen, Baby. Mir ist ja klar, wie viel dir deine Arbeit bedeutet, und du sollst Spaß daran haben, solange du dabei bist. Komm einfach ins Bett, wenn du soweit bist.«
»Solange ich dabei bin?« Leigh hob ruckartig den Kopf. »Fängst du jetzt wieder damit an? Um ein Uhr morgens?«
»Nein, Darling. Ich fange nicht wieder damit an. Du hast mir klipp und klar gesagt, dass San Francisco für dich momentan kein Thema ist. Aber ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du doch noch einmal darüber nachdenken würdest. Es ist wirklich eine einmalige Gelegenheit.«
»Für dich«, sagte Leigh schmollend.
»Für uns beide.«
»Wir sind noch nicht mal ein Jahr zusammen. Da finde ich einen solchen Schritt, zusammen ans andere Ende des Landes zu ziehen, ein bisschen verfrüht.« Russell war nicht der Einzige, der sich ihren überraschend scharfen Ton nicht erklären konnte.
»Wenn man jemanden liebt, ist es nie zu früh, Leigh«, antwortete er, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Anfangs hatte sie diese stoische Gelassenheit an ihm besonders gemocht; mittlerweile stank sie ihr gewaltig. Weil er nie wütend wurde und seine Emotionen immer unter Kontrolle hatte, fragte sie sich manchmal, ob er überhaupt ein Wort von dem hörte, was sie sagte.
»Können wir ein andermal darüber reden?«, fragte sie.
Er setzte sich auf und rutschte ans Fußende des Betts, wo Leighs bequemer Lesesessel mit der Lampe stand. Dabei glitt die übergroße, extraweiche Daunendecke, nach der sie wochenlang alle Geschäfte abgeklappert hatte, auf den Boden und hätte fast den Bonsai vom Nachttisch gerissen. Russell schien nichts davon zu merken. »Soll ich dir einen Tee machen?«, fragte er.
Wieder musste Leigh ihre ganze Willenskraft aufbieten, um nicht laut loszuschreien. Sie wollte nicht ins Bett. Sie wollte keinen Tee. Sie wollte nur, dass er endlich die Klappe hielt.
Unauffällig holte sie tief Luft. »Danke, ich brauche nichts. Gib mir noch ein paar Minuten, okay?«
Er lächelte verständnisvoll, sprang aus dem Bett und nahm sie in den Arm. Ihr Körper wurde stocksteif, sie konnte nichts dagegen machen. Russell presste sie an sich und schmiegte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. Seine Bartstoppeln kratzten, und sie wich vor ihm zurück.
»Kitzelt das?« Er lachte. »Mein Dad hat immer gesagt, früher oder später würde ich mich auch zweimal am Tag rasieren müssen. Aber ich wollte ihm nicht glauben.«
»Hmm.«
»Ich hol mir ein Glas Wasser. Soll ich dir eins mitbringen?«
»Gern«, sagte Leigh, obwohl sie auch darauf nicht den geringsten Wert legte. Sie konzentrierte sich wieder auf das Manuskript. Als sie gerade einmal eine halbe Seite geschafft hatte, rief Russell aus der Küche: »Wo steht bei dir der Honig?«
»Der was?«, rief sie zurück.
»Der Honig. Ich mach uns einen Tee mit warmer Milch und Honig. Hast du welchen da?«
Sie atmete tief durch. »Im Schrank über der Mikrowelle.«
Einen großen Becher in jeder Hand und eine Tüte Newman’s Own Chocolatechip-Plätzchen zwischen den Zähnen, kam er ein paar Minuten später wieder ins Schlafzimmer. »Leg eine Pause ein, Baby. Nach unserem Mitternachtsimbiss lasse ich dich auch ganz bestimmt in Ruhe.«
Mitternacht?, dachte Leigh. Es ist halb zwei, und ich muss in fünfeinhalb Stunden aufstehen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass nicht jeder einen perfekt durchtrainierten Athletenkörper hat und es sich leisten kann, zu jeder Tages- und Nachtzeit Plätzchen zu mampfen.
Während sie kaute, musste Leigh daran
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