Ein Ring von Tiffany - Roman
Tabakabstinenzlerin geworden. Sie hatte es geschafft und war nicht wieder schwach geworden, obwohl es sie übermenschliche Anstrengung kostete und sie wochenlang unter Entzugserscheinungen litt. Ganz hatte sie sich noch nicht vom Nikotin befreit - manch einer hätte wohl gesagt, dass sich ihre Sucht auf Nikotinkaugummis verlagert hatte -, aber das war Leigh schnuppe. Die Kaugummis würden sie wenigstens nicht gleich umbringen - so hoffte sie -, und wenn doch, konnte sie es auch nicht ändern.
Auf diesen Gedanken hin genehmigte sie sich gleich noch eine Nicorette und legte das Manuskript zur Seite. Normalerweise war es nicht allzu schwierig, sich für ein neues Buch zu begeistern, um das sich die halbe Verlagswelt prügelte, aber diesmal war es die reine Tortur. Wartete die amerikanische Leserschaft tatsächlich auf einen weiteren Achthundertseitenwälzer, der in fiktiver Form die Lebensgeschichte eines Präsidenten aus dem vorletzten Jahrhundert ausschlachtete? Leigh war es jetzt schon leid. Sie hätte sich viel lieber in einen spannenden Urlaubsschmöker vertieft, als sich mit diesem stinklangweiligen Erguss zu beschäftigen. Und warum konnte heute nicht ihr heiliger Kontaktsperremontag sein? Es war zum Verzweifeln. Zu erschöpft und zu angeödet, um auch nur noch ein weiteres Wort über eine Präsidentschaftskampagne zu lesen, die schon seit mehr als hundert Jahren Schnee von gestern war, warf Leigh das Manuskript zur Seite und nahm ihr MacBook auf den Schoß.
Oft fand sie um zwei Uhr morgens noch eine Freundin im Netz, mit der sie chatten konnte, aber heute Nacht war alles ruhig. Leigh klickte sich kreuz und quer durch ihre Lieblingswebsites. Auf cnn.com eine Alligatorattacke in Südflorida. Auf Yahoo! ein Video, das zeigte, wie man mit Hilfe eines Küchenmessers und eines ungiftigen Markers ein Melonenkörbchen
schnitzen konnte. Auf gofugyourself.com ein witziger Beitrag über Tom Cruise und seine Lockenpracht. Auf neimanmarcus eine Info über verbesserte Lieferbedingungen für alle Lederaccessoires. Klick, klick, klick, klick. Sie überflog die aktuelle Bestsellerliste auf Publishers Weekly , spendete auf der Brustkrebsseite per Mausklick für kostenlose Mammographien und prüfte online bei ihrer Bank nach, ob die Abbuchung auch vorgenommen wurde. Sie spielte noch kurz mit dem Gedanken, auf Web-MD die Symptome für eine Zwangsneurose zu checken, aber sie beherrschte sich. Schläfrig, wenn auch nicht todmüde, wusch sie sich schließlich mit den korrekten aufwärts kreisenden Bewegungen das Gesicht, zog die Jogginghose aus und schlüpfte in eine kurze Pyjamahose. Ohne Russell aus den Augen zu lassen, legte sie sich zu ihm ins Bett. Sie schob sich zentimeterweise unter die Decke, um ihn bloß nicht zu wecken. Er rührte sich nicht. Nachdem sie das Licht ausgeknipst hatte, drehte sie sich vorsichtig auf die Seite. Doch als ihre Gedanken allmählich zur Ruhe kamen und sich ihre Glieder entspannt in das kühle Laken schmiegten, presste er sich auf einmal an sie. Er war erregt. Er schlang die Arme um sie und drückte ihr seinen Unterleib ins Kreuz.
»Hallo, du da«, flüsterte er ihr ins Ohr. Sein Atem roch nach Plätzchen.
Sie blieb schlaff und reglos liegen. Einerseits hoffte sie inständig, dass er wieder einschlafen würde, andererseits hasste sie sich für diesen Gedanken.
»Leigh, Baby. Bist du noch wach? Ich bin putzmunter.« Er rückte ihr noch ein bisschen näher auf den Leib, damit sie auch ja begriff, worauf er hinauswollte.
»Ich bin fix und foxi, Russ. Es ist schon so spät, und ich hab doch morgen ganz früh das Meeting.« Seit wann höre ich mich denn wie meine Mutter an? , dachte sie entsetzt.
»Du musst auch gar nichts machen. Versprochen.«
Er zog sie an sich und küsste sie in den Nacken. Ihr Frösteln
interpretierte er als Erregung, ihre Gänsehaut als gutes Zeichen. Am Anfang ihrer Beziehung war er für sie der beste Küsser der Welt gewesen. Sie erinnerte sich bis heute an das erste Mal - ein Kuss, der sie regelrecht in überirdische Sphären katapultierte. Nach der Buchparty und dem Drink in der Kneipe hatte er sie im Taxi nach Hause gebracht. Kurz bevor sie am Ziel war, hatte er sie an sich gezogen und ihr den sanftesten, unglaublichsten Kuss aller Zeiten gegeben. Ein perfektes Zusammenspiel von Mund und Zunge, der ideale Lippendruck, genau das richtige Maß an Leidenschaft. Kein Wunder eigentlich, konnte er doch als einer der berühmtesten und begehrtesten Junggesellen in Manhattan aus
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