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Ein Ring von Tiffany - Roman

Ein Ring von Tiffany - Roman

Titel: Ein Ring von Tiffany - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Weisberger Regina Rawlinson Martina Tichy
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Abend. Alles Liebe zum ersten Jahrestag!«, fiel ihr wieder ein, dass Russell zur Feier ihres einjährigen Kennenlernens für den Abend einen Tisch bei Daniel reserviert hatte. Typisch. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sie zum ersten Mal in ihrem Berufsleben - und vielleicht überhaupt in ihrem Leben -, verschlafen hatte und sich wie eine ungewaschene Pennerin unter die Leute mischen musste. Ausgerechnet heute, dem einzigen Tag, an dem ihr wirklich einmal etwas daran lag, gut auszusehen. Zum Glück konnte Gilles in letzter Sekunde einen Termin für sie freischaufeln (»Wenn Adriana nichts dagegen hat, kannst du ihre Ein-Uhr-Sitzung haben«, bot er ihr an. »Sie hat nichts dagegen!«, brüllte Leigh ins Telefon. »Ich übernehme die volle Verantwortung!«). Auf dem Rückweg ins Büro wollte sie noch einen kleinen Boxenstopp bei Barneys einlegen, um für Russell ein Geschenk zu besorgen - irgendein Rasierwasser, einen Schlips oder eine Kulturtasche. Hauptsache, es war schon fertig verpackt und lag nicht allzu weit von der Kasse entfernt. Ihre Mittagspause war bis auf die letzte Sekunde verplant.
    »Sie können gleich durchgehen«, näselte Henrys neue Assistentin fröhlich. Ihre von pinkfarbenen Strähnchen durchzogene Stachelfrisur passte weder zu ihrem gemütlichen Südstaatenakzent noch zum gediegen konservativen Ambiente des Verlags, aber da sie allem Anschein nach der Rechtschreibung mächtig und dazu auch noch halbwegs höflich war, sah man über ihr Äußeres hinweg.

    Leigh nickte ihr zu und stürmte durch die offene Tür. »Hallöchen!«, begrüßte sie Henry. Den Mann, der mit dem Rücken zu ihr saß, schätzte sie auf Anfang vierzig. Trotz des frühsommerlichen Wetters trug er zum hellblauen Hemd einen olivgrünen Cordblazer mit Flicken auf den Ellbogen. Sein dunkelblondes - oder beim näheren Hinsehen vielleicht doch eher braunes - Haar war weder zu lang noch zu kurz geschnitten, sondern reichte genau bis zum Kragen. Noch bevor er sich zur ihr umdrehte, sagte ihr die Intuition, dass er gut aussah. Vielleicht sogar umwerfend. Unter anderem deshalb reagierte sie leicht verblüfft, als sich ihre Blicke schließlich trafen.
    Ihr erster Gedanke war, dass er bei Weitem nicht so attraktiv war, wie sie erwartet hatte. Seine Augen leuchteten weder in Grün noch Blau, sondern waren von einem unspektakulären Haselnussgraubraun, und seine Nase wirkte aus irgendeinem Grund platt und spitz zugleich. Aber er hatte ein makelloses Gebiss - gerade, weiße, strahlende Zähne, die eine Hauptrolle in einer Zahnpastareklame verdient gehabt hätten. Erst als der Mann lächelte und sich sein Gesicht in tiefe, aber attraktive Lachfalten legte, erkannte sie ihn. Er war niemand anderer als Jesse Chapman, ein Autor, dessen Namen man in einem Atemzug mit Updike, Roth und Bellow, McInerney, Ford und Franzen nannte. Entzauberung , sein erster Roman, den er mit dreiundzwanzig geschrieben hatte, war eine absolute Ausnahmeerscheinung: nicht nur ein kommerzieller, sondern auch ein literarischer Erfolg. Mit jedem weiteren Buch, das er schrieb, verfestigte sich sein Renommee als Wunderknabe, und mit jeder Party, auf der er gesichtet wurde, mit jedem Model, das er abschleppte, wuchs sein Ruf als böser Bube des Literaturbetriebs. Vor sechs oder sieben Jahren war er nach einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik und einer Reihe schlechter Kritiken spurlos von der Bildfläche verschwunden. Aber niemand erwartete, dass er auf Dauer verschollen bleiben würde. Dass er heute hier im Verlag war, konnte nur eines bedeuten.

    »Leigh, darf ich Ihnen Jesse Chapman vorstellen? Seine Werke kennen Sie ja schon. Und Jesse - Leigh Eisner, mein bestes und liebstes Pferd im Lektorenstall.«
    Jesse stand auf und sah ihr tief in die Augen. Trotzdem entging ihr nicht, dass er sie dabei von Kopf bis Fuß musterte. Sie fragte sich, ob er wohl auf ungeschminkte Frauen mit labbrigen Pferdeschwänzen stand. Sie konnte es nur hoffen.
    »Das sagt er über alle meine Kollegen«, wiegelte Leigh ab und gab Jesse die Hand.
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen«, antwortete Jesse smart und drückte ihre Hand mit beiden Händen. »Und genau deshalb lieben wir ihn. Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?« Mit einem fragenden Blick deutete er auf den freien Platz neben sich auf dem Zweisitzersofa.
    »Ach, hm. Eigentlich wollte ich gerade...«
    »Sie kann es kaum erwarten«, sagte Henry.
    Leigh verkniff sich eine Reaktion und setzte sich auf das antike Sofaungetüm. Und tschüs,

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