Ein Ring von Tiffany - Roman
noch ein Jahr oder fünf oder zehn zu leben hätte, würde ich mir als Allererstes eine Schachtel Zigaretten kaufen. Das könnt ihr mir glauben.«
Emmy schüttelte den Kopf, so dass sich aus ihrem Pferdeschwanz ein paar braune Locken lösten. Sie zupfte ihren Bikini zurecht - einen sportlichen blauen Zweiteiler, der eher wie ein Aerobic-Outfit aussah - und sagte: »Ihr seid wirklich ekelhaft mit euren Kippen. Hat euch noch nie einer gesagt, was für eine unappetitliche Angewohnheit das ist? Widerwärtig und absto ßend.«
»Guten Morgen, Sonnenschein! Du bist aber gut drauf, was?«, sagte Leigh. Sie leerte ihr Glas Orangensaft und zog sich ihre Strohtasche auf die Liege. »Mein Gott, ich kann es kaum erwarten, mich in die Sonne zu legen. Jetzt haben wir schon Juli, und ich bin den ganzen Sommer noch nicht einmal aus der Stadt rausgekommen.«
Adriana musterte Leigh ausführlich von oben bis unten. »Kaum zu glauben«, sagte sie. »Deine bläulich-blasse Haut steht dir so ungemein gut zu Gesicht.«
»Lach du nur«, trällerte Leigh, die zum ersten Mal seit Wochen wirklich glücklich schien. »Wir werden ja sehen, wer in zwanzig Jahren noch lacht, wenn man euch die verkrebste Haut aus dem Gesicht geschnitten und euch gegen die Falten Unmengen Botox gespritzt hat. Darauf freue ich mich jetzt schon.«
Adriana und Emmy sahen fasziniert zu, wie Leigh zwei Flaschen und eine Tube Sonnenschutzmittel aus ihrer Tasche nahm. Zuerst rieb sie sich jeden Quadratmillimeter nackter Haut von den Zehen bis zur Schulter dick mit Clarins Creme, LSF 50, ein, wobei sie nicht einmal die Ränder ihres schwarzen Bikinis vergaß. Als sie mit dieser zeitraubenden Arbeit fertig war, sprühte sie sich von oben bis unten mit Neutrogena LSF 50 ein, »damit ich auch ja keine Stelle vergesse«, wie sie ihrem gebannten Publikum erklärte. Nachdem sie ihren Körper erfolgreich
eingecremt und eingesprayt hatte, nahm sie sich ihr Gesicht vor. Sie massierte sich kleine Kleckse einer heiß begehrten französischen Gesichtslotion in Wangen, Kinn, Stirn, Ohrläppchen, Augenlider und Hals. Dann schlang sie ihre Haare zu einem lockeren Knoten, stülpte sich einen wagenradgroßen Strohhut auf den Kopf und setzte eine riesige Panoramasonnenbrille auf.
»Mmm«, seufzte sie und streckte genüsslich, aber vorsichtig die Arme über den Kopf, um nur ja den Hut nicht zu verrücken. »Herrlich.«
Adriana und Emmy grinsten sich an. Leigh war ein kompliziertes Wesen, daran bestand kein Zweifel, aber ihr umständliches, so ungeheuer Leigh-typisches Ritual hatte auch eine wohltuende Wirkung.
»Okay, Mädels. Der sinnlosen Worte sind genug gewechselt. Wir haben ein Thema, das behandelt werden will«, verkündete Adriana. Sie wusste, dass Leigh nicht in der Stimmung war, sich ausführlich über ihre Verlobung zu äußern - das hatte sie ihnen gestern am Strand nur allzu deutlich zu verstehen gegeben, indem sie einerseits unaufhörlich darüber jammerte, dass man ihr irgendeinen Starschriftsteller aufs Auge gedrückt hatte (genau das gleiche nervöse Gejammer, bei dem Adriana und Emmy die Ohren schon automatisch auf Durchzug stellten, weil sie seit Jahren mit ihren Selbstzweifeln lebten. Wenn Leigh stöhnte: »Ich hab die Prüfung total versiebt« oder »Den Termin für das neue Manuskript kann ich nie im Leben schaffen«, lief es mit schöner Regelmäßigkeit darauf hinaus, dass sie auf der Uni eine Eins plus nach der anderen einheimste und im Verlag zügig die Karriereleiter erklomm), und sich andererseits auf Fragen über ihre bevorstehende Hochzeit nur einsilbige Antworten abquälte. Deshalb wollte Adriana ausnahmsweise einmal gnädig sein und sie verschonen.
»Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, Leigh, aber ich für mein Teil würde gern ein bisschen mehr über Emmys Reise nach Paris
hören.« Adriana warf Emmy einen vielsagenden Blick zu. »Die Stadt der Liebe. Da muss es doch was zu berichten geben.«
Mit einem Seufzer legte sich Emmy ihr aufgeklapptes Taschenbuch auf den Bauch. »Wie oft muss ich es denn noch sagen? Es gibt nichts zu erzählen.«
»Lügen, alles Lügen«, sagte Leigh. »Du hast auf jeden Fall einen gewissen Paul erwähnt. Was sich für mich übrigens nicht gerade nach einem besonders ausländischen Vornamen anhört. Aber vielleicht kannst du uns ja aufklären.«
»Warum wollt ihr mich zwingen, das alles noch mal durchzukauen?«, fragte Emmy mit einem beschwörenden Blick. »Das ist reiner Sadismus. Ich hab euch wirklich schon alles
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