Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
Vom Netzwerk:
geworden.“
    „Ich vermag die von Ihnen angedeutete Wechsel wirkung noch nicht sofort zu begreifen“, erwiderte ich.
    „Die Sache ist höchst einfach“, sagte Doktor Leete. „Als die verschiedenen, für Leben und Wohlsein nötigen Dinge von unzähligen Personen hergestellt wurden, die untereinander in keinem Zusammenhang standen und voneinander unabhängig waren, da mußte auch ein endloser Austausch der Güter zwischen den einzelnen stattfinden. Nur auf diese Weise konnte sich jeder mit allem versorgen, was er wünschte. Dieser Austausch, das war der Handel. Das Geld spielte dabei eine wesentliche, unumgängliche Vermittlerrolle. Al lein sobald die Nation der einzige Produzent aller Güter wurde, fiel dieser Austausch von selbst fort: die einzelnen bedurften seiner nicht mehr, um sich mit allem Nötigen zu versorgen. Alles erhielt man aus einer einzigen Quelle, ja man konnte es nur aus einer einzigen Quelle und nirgends sonst erhalten. So trat an die Stelle des Handels ein System direkter Güterverteilung von den nationalen Vorratshäusern aus. Dabei ist aber das Geld ein durchaus überflüssiges Ding.“
    „Wie werden die Güter verteilt?“ fragte ich.
    „Auf eine höchst einfache Weise“, erwiderte Doktor Leete. „Zu Beginn jedes Jahres wird in den staatlichen Geschäftsbüchern für den einzelnen Bürger ein Kredit eröffnet, der seinem Anteil an der jährlichen Gesamtproduktion des Landes gleichkommt. Darauf erhält jeder eine entsprechende Kreditkarte, mittels der er sich aus den öffentlichen Vorratshäusern alles verschafft, was er nur wünscht, und wann immer er es wünscht. Solche Vorratshäuser aber gibt es in jeder Gemeinde. Wie Sie sehen, beseitigt diese Regelung durchaus die Notwendigkeit von Handelsgeschäften, zwischen den einzelnen. Vielleicht möchten Sie wissen, wie unsere Kreditkarten aussehen?“
    Mit diesen Worten reichte er mir eine Karte aus starkem Papier, die ich neugierig betrachtete.
    „Sie bemerken jedenfalls“, fuhr er fort, „daß diese Karte auf eine gewisse Anzahl Dollar lautet. Wir haben das alte Wort beibehalten, aber nicht etwa die alte Sa che. Bei uns entspricht der Ausdruck keinem wirklichen Ding. Er ist nichts weiter als ein algebraisches Zeichen, dessen wir uns bedienen, um die Werte der verschiedenen Produkte miteinander zu vergleichen. Des Vergleiches wegen ist der Wert aller Güter wie zu Ihrer Zeit nach Dollar und Cents abgeschätzt. Der Wert dessen, was ich aus den Magazinen entnehme, wird von einem Beamten gebucht und an der bestimmten Stelle in meiner Karte vermerkt, die in Quadrate eingeteilt ist.“
    „Können Sie einen Teil Ihres Kredits auf Ihren Nachbarn übertragen für den Fall, daß Sie etwas von ihm kaufen möchten?“ fragte ich.
    „Zunächst“, entgegnete Doktor Leete, „besitzen un sere Nachbarn nichts, was sie uns verkaufen könnten, und außerdem ist unser Kredit unübertragbar, er ist streng persönlich. Ehe die Nation auch nur daran zu denken vermöchte, die von Ihnen angedeutete Übertragung anzuerkennen, müßte sie genauen Einblick in alle Einzelheiten der Abmachung erhalten, um ihre volle Billigkeit verbürgen zu können. Übrigens, hätte es keine anderen Gründe für die Abschaffung des Geldes gegeben, so wäre schon dieser eine hinreichend gewesen, sie zu rechtfertigen: der Besitz von Geld war durchaus kein Beweis eines rechtmäßigen Anspruches darauf. Das Geld blieb stets gleich viel wert, mochte es durch Diebstahl, Mord oder durch fleißige Arbeit erworben sein, mochte es sich in den Händen eines Schurken oder eines ehrlichen Mannes befinden. Heutzutage tauschen die Menschen nur aus Freundschaft Geschenke und Gefälligkeiten miteinander aus. Kaufen und Verkaufen gilt für durchaus unverträglich mit dem Wohlwollen und der Uneigennützigkeit, die zwischen den Bürgern herrschen sollen, mit dem Gefühl der Interessengemeinschaft, auf dem unsere soziale Ordnung beruht. Unserer Auffassung nach wirken Kaufen und Verkaufen in all ihren Folgen durchaus gesellschaftsfeindlich. Sie erziehen zur Selbstsucht auf Kosten anderer. Eine Gesellschaft, deren Bürger durch eine solche Schule gegangen sind, kann sich schlechterdings nicht über einen sehr niedrigen Grad der Zivilisation erheben.“
    „Was geschieht aber, wenn Sie in einem Jahre mehr ausgeben müssen, als Ihnen bewilligt ist?“ fragte ich.
    „Der jedem zustehende Betrag ist recht groß. Die Möglichkeit liegt daher viel näher, daß wir ihn nicht einmal ganz ausgeben“,

Weitere Kostenlose Bücher