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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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daß solche Morgenwanderungen jetzt noch üble Folgen für mich haben könnten.“
    „Es freut mich, das zu hören“, versetzte Edith. „Ich war im Nebenzimmer damit beschäftigt, einen Blumenstrauß für den Frühstückstisch zu ordnen, als ich Sie herabkommen hörte. Aus der Behutsamkeit Ihres Schrittes schloß ich auf ein heimliches Vorhaben.“
    „Sie taten mir unrecht“, erwiderte ich. „Ich dachte gar nicht daran, auszugehen.“
    Trotz Ediths Bemühen, mich glauben zu machen, daß sie mich ganz zufällig abgefaßt habe, stieg mir doch ein leiser Verdacht auf. Ich vermutete, daß das holde Mädchen die letzten oder drei Morgen zu ungewöhnlich früher Stunde aufgestanden war, um in treuester Erfüllung des übernommenen Hüteramts jeder Möglichkeit vorzubeugen, daß ich noch einmal einsam die Stadt durchwanderte und von qualvollen Gemütsstimmungen dem Wahnsinn nahegebracht würde. Später wurde mir die Richtigkeit meiner Vermutung bestätigt. Nachdem Edith mir erlaubt hatte, ihr beim Ordnen des Straußes behilflich zu sein, folgte ich ihr in das Zimmer, aus dem sie gekommen war.
    „Sind Sie ganz sicher“, so fragte sie mich, „ob nun für immer die schrecklichen Empfindungen vorbei sind, die Sie an dem bewußten Morgen gepeinigt haben?“
    „Ich kann nicht verhehlen“, erwiderte ich, „daß mich hie und da höchst seltsame Gefühle befallen. Es gibt Augenblicke, wo mir die Identität meiner Person als eine offene Frage erscheint. Nach allem, was ich erlebt habe, hieße es zuviel verlangen, wollte ich erklären, daß ähnliche Empfindungen gelegentlich nicht wiederkehren. Aber dennoch denke ich, daß mir nie mehr wie an jenem Morgen die Gefahr droht, ganz zusammenzubrechen.“
    „Ich werde nie vergessen“, sagte Edith, „wie Sie damals aussahen.“
    „Wenn Sie nur mein Leben gerettet hätten“, fuhr ich fort, „so vermöchte ich vielleicht meine Dankbarkeit in Worte zu kleiden. Aber Sie haben mir mehr gerettet: meine Vernunft, und da sind Worte viel zu schwach, um auszudrücken, was ich Ihnen schulde.“
    Eine tiefe Bewegung hatte sich meiner bemächtigt, und ich bemerkte, wie Ediths Augen plötzlich feucht wurden.
    „Es fällt mir schwer, dies zu glauben“, sagte sie, „aber es ist dennoch angenehm, es von Ihnen zu hören. Was ich tat, war herzlich wenig. Ich weiß nur, daß ich Ihretwegen schmerzlich gelitten habe. Mein Vater meint, daß uns nichts in Erstaunen versetzen dürfe, was sich wissenschaftlich erklären läßt. Das gilt wohl auch für Ihren langen Schlaf. Trotzdem macht mich der blo ße Gedanke an Ihre Lage schaudern. Ich weiß, daß ich ein ähnliches Schicksal nie ertragen könnte.“
    „Das hinge davon ab“, erwiderte ich, „ob Ihnen ein Engel nahte, der Sie im Augenblick der höchsten Seelennot mit seinem Mitgefühl unterstützte, ein Glück, das mir zuteil geworden ist.“
    Gewiß spiegelten meine Züge das Gefühl wider, das ich mit Recht für das liebenswürdige, holde junge Mädchen hegen durfte, das mir als solch ein Engel entgegengetreten war. Sie mußten dann in jenem Augenblick den Ausdruck der tiefsten Verehrung tragen. Dieser Ausdruck oder meine Worte oder auch beides zusammen ließen Edith in einem reizenden Erröten die Augen niederschlagen.
    „Um bei meinem Fall zu bleiben“, sagte ich, „so haben Sie sicherlich nicht das gleiche Aufregende und Außerordentliche empfunden wie ich. Aber immerhin muß es ein überwältigendes Gefühl gewesen sein, in dieses Leben einen Menschen aus einem anderen Jahrhundert zurückgerufen zu sehen, der allem Anschein nach seit hundert Jahren tot war.“
    „Uns war in der Tat anfangs unbeschreiblich seltsam zumute“, versetzte Edith. „Als wir uns jedoch in Ihre Lage zu versetzen begannen und uns vergegenwärtig ten, wie viel wunderbarer Ihnen alles erscheinen muß te, da vergaßen wir, glaube ich, zum guten Teil unsere eigenen Gefühle. Ich weiß wenigstens, daß es mir so ergangen ist. Ihr Schicksal erschien uns eigentlich weniger wunderbar als interessant und namentlich ergreifender als alles, was man je gehört hatte.“
    „Aber scheint es Ihnen nicht wunderlich, mit mir an einem Tisch zu sitzen, nun, wo Sie wissen, wer ich bin?“
    „Sie dürfen nicht vergessen“, antwortete Edith, „daß Sie uns nicht so fremd erscheinen wie wir Ihnen. Wir gehören für Sie einer Zukunft an, von der Sie sich keine Vorstellung machen konnten, einer Generation, von der Sie nichts wußten, bis Sie uns sahen. Sie dagegen gehören zu

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