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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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der menschlichen Natur dagegen drohte sie umzustürzen, und nur ein wohldurchdachtes, kunstvolles, stets ergänzungsbedürftiges System von Stützen, Pfeilern und Stricken in Gestalt von Gesetzen vermochte es, die Pyramide aufrecht oder vielmehr – entschuldigen Sie das schlechte Wortspiel – unaufrecht zu erhalten. Ein Nationalkongreß und vierzig gesetzgebende Körperschaften von Bundesstaaten konnten wohl im Jahre zwanzigtausend Gesetze fabrizieren. Allein sie waren außerstande, genug starke Stützen zum Ersatz für diejenigen zu schaffen, die morsch geworden oder zusammengebrochen waren, weil die Last sich verschoben hatte. Jetzt dagegen ruht die Gesellschaft auf ihrer natürlichen Grundlage und bedarf der künstlichen Stützen so wenig, wie die ewigen Berge ihrer bedürfen.“
    „Außer der nationalen Zentralgewalt gibt es bei Ihnen doch gewiß kommunale Verwaltungsbehörden?“
    „Gewiß, und sie haben sehr wichtige und ausgedehnte’ Aufgaben. Sie sorgen für die Bequemlichkeit und Erholung des Publikums, für Verbesserungen, Wohlfahrtseinrichtungen und Verschönerungen der Städte und Dörfer.“
    „Ich verstehe nicht, wie sie etwas leisten können. Sie dürfen doch weder die Arbeit der Bürger in Anspruch nehmen, noch besitzen sie die Mittel, Arbeitskräfte gegen Entgelt zu beschäftigen.“
    „Jeder Gemeinde steht das Recht zu, für ihre eigenen öffentlichen Zwecke einen Bruchteil der Arbeit zu beanspruchen, die ihre Angehörigen der Nation leisten müssen. Diese Arbeit wird der Gemeinde als Kredit gebucht, den sie in jeder beliebigen Weise verwenden kann.“

 
20. Kapitel
Erinnerung an die Vergangenheit
     
    An dem nämlichen Nachmittag fragte mich Edith gelegentlich, ob ich je wieder das unterirdische Gemach im Garten aufgesucht hätte, in dem ich aufgefunden worden war.
    „Bis jetzt noch nicht“, antwortete ich. „Offen gestanden, schreckte ich bisher vor dem Gedanken eines Besuchs zurück, da ein solcher Ort alte Erinnerungen wecken und dadurch mein geistiges Gleichgewicht zu heftig erschüttern könnte.“
    „Gewiß“, sagte sie. „Ich kann mir vorstellen, wie gut Sie daran taten, den Ort zu meiden. Ich hätte mir das selbst sagen und schweigen sollen.“
    „Im Gegenteil“, versetzte ich, „es ist mir lieb, daß Sie die Sache erwähnt haben. Der Anblick des unterirdischen Gemachs hätte mir doch nur am ersten oder zweiten Tage nach meinem Erwachen gefährlich werden können. Ihnen vor allem verdanke ich es, daß ich mich jetzt in der neuen Welt sicher und heimisch fühle. So heimisch, daß ich heute nachmittag gern den Ort wieder aufsuchen möchte, wenn Sie mich nur begleiten und böse Geister fernhalten wollen.“
    Edith wollte anfangs von meinem Vorschlag nichts wissen, als sie aber sah, daß ich allen Ernstes auf ihm beharrte, willigte sie ein, mit mir zu kommen. Vom Hause aus konnte man zwischen den Bäumen den Erdhaufen liegen sehen, der beim Ausgraben aufgeworfen worden war. Wenige Schritte brachten uns an Ort und Stelle. Alles war geblieben, wie es in dem Augenblick gewesen, als die Arbeiten dadurch unterbrochen wurden, daß man im Gemach jemand aufgefunden hatte. Nur die Türe hatte man geöffnet und die Steinplatte wieder an der Decke eingefügt. Wir stiegen die Böschung zu dem ausgeschachteten Keller hinab, traten durch die Türe und standen nun in dem schwach beleuchteten Zimmer.
    Alles war noch genau so, wie ich es vor einhundertdreizehn Jahren an jenem Abend zum letztenmal gesehen hatte, ehe ich meine Augen zum langen Schlafe schloß. Ich sah mich eine Zeitlang schweigend im Zimmer um. Meine Gefährtin warf verstohlen Blicke voll scheuer und mitleidiger Neugier auf mich. Ich streckte ihr meine Hand entgegen, und sie legte die ihrige hinein, ihre zarten Finger erwiderten beschwichtigend meinen Händedruck. Endlich flüsterte Edith: „Wäre es nicht besser, wenn wir nun das Zimmer wieder verließen? Sie dürfen sich nicht allzuviel zumuten. Wie wun derlich muß Ihnen zumute sein!“
    „Im Gegenteil“, versetzte ich, „mir ist gar nicht wunderlich zumute, und das ist jedenfalls seltsamer als alles, was ich sonst erlebt habe.“
    „Gar nicht wunderlich zumute?“ wiederholte Edith halb fragend, halb erstaunt.
    „Nicht im geringsten“, erwiderte ich. „Ich empfinde keine einzige der Gemütsbewegungen, die Sie gefürchtet haben, und auf die ich ebenfalls bei diesem Besuch gefaßt war. Ich nehme alle Eindrücke der vertrauten Umgebung in mich auf, sie wecken zahlreiche

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