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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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diesem Gedanken legte sich meine leidenschaftliche Erregung, und meine Tränen versiegten. Wohl hatte ich Edith Bartlett in meinem früheren Leben heiß geliebt, aber seitdem waren mehr als hundert Jahre vergangen! Es ist möglich, daß der eine oder andere Leser dieses Bekenntnis als Beweis dafür auffaßt, daß es mir an tieferem Gefühl mangelt, allein ich meine, daß mich nie mand verurteilen darf, der nicht mein Geschick erfah ren hat. Als wir das Zimmer verlassen wollten, blieb mein Auge auf dem großen eisernen Geldschrank haften, der in einer Ecke stand. Ich machte meine Gefährtin auf ihn aufmerksam und sagte:
    „Dies Gemach diente mir zugleich als Schlafzimmer und als Schatzkammer. Der Schrank da enthält mehrere tausend Dollar in Gold und eine stattliche Summe in Wertpapieren. Selbst wenn ich an jenem Abend gewußt hätte, wie lange mein Schlaf dauern werde, würde ich doch gedacht haben, daß dieses Geld eine zuverlässige Sicherung meiner Existenz sei, in welchem weltabgelegenen Lande und in welcher entfernten Zeit ich auch erwachen sollte. In meinen wildesten Träumen wäre mir nicht eingefallen, daß eine Zeit kommen könnte, wo das Geld seine Kaufkraft verlieren werde. Und nun bin ich unter einem Volke erwacht, bei dem man für eine Wagenladung Gold nicht einmal einen Laib Brot kaufen könnte.“
    Es gelang mir natürlich nicht, Edith begreiflich zu machen, was denn an dieser Tatsache so Wunderbares sei.
    „Weshalb in aller Welt sollte man denn für Gold Brot kaufen können?“ fragte sie mich.

 
21. Kapitel
Schule und Erziehung
     
    Doktor Leete hatte den Vorschlag gemacht, den folgenden Morgen zur Besichtigung der Schulen und höheren Lehranstalten in der Stadt zu verwenden. Er wollte dabei versuchen, mir einen Einblick in das Erziehungswesen des zwanzigsten Jahrhunderts zu geben.
    „Sie werden finden“, sagte er, als wir uns nach dem Frühstück auf den Weg machten, „daß sich unsere Erziehungsmethoden in vielen wichtigen Punkten von denen Ihrer Zeit unterscheiden. Der Hauptunterschied besteht aber darin, daß heutzutage allen die gleiche Gelegenheit zu höherer Bildung und Entwicklung geboten wird, während sich in Ihren Tagen nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung dieser Gelegenheit erfreute. Wir würden ja nichts besonders Erwähnenswertes geleistet haben, hätten wir nur Gleichheit für die, materiellen Bedürfnisse der Menschen geschaffen, ohne ihnen auch gleiches Recht auf Erziehung, auf Entwicklungsmöglichkeit zu sichern.“
    „Ihr Erziehungswesen muß Unsummen kosten“, sag te ich.
    „Und wenn es das halbe, ja das ganze Einkommen der Nation verschlänge, so daß uns nur elende Hungerkost übrigbliebe, würde niemand darüber murren“, versetzte Doktor Leete. „In Wirklichkeit stellen sich jedoch die Erziehungskosten von zehntausend jungen Leuten nicht zehnmal, ja nicht einmal fünfmal so hoch wie die von tausend. Auch für die Erziehung gilt der Grundsatz, daß alle gutorganisierten großen Unternehmungen verhältnismäßig billiger sind als kleine Einrichtungen.“
    „Der Besuch höherer Lehr- und Bildungsanstalten war zu meiner Zeit ganz furchtbar teuer“, sagte ich.
    „Wenn mich unsere Geschichtsschreiber recht belehrt haben“, antwortete Doktor Leete, „so war es weniger der Besuch der Hochschulen, der so teuer zu stehen kam, als vielmehr der flotte Lebenswandel und die vielerlei Vergnügungen der Studierenden. In Wirklichkeit kostete das Studium selbst sehr wenig und hätte noch weniger gekostet, wenn die Wissenschaft im allgemeinen mehr gepflegt worden wäre. Heutzutage erfordern die höheren Schulanstalten keine größeren Aufwendungen als die niederen, da die Lehrenden jeder Art so gut wie alle übrigen Berufstätigen Anrecht auf die gleichen Existenzmittel haben. Den Elementarunterricht, wie er vor hundert Jahren in Massachusetts üblich war, und der auf dem allgemeinen Schulzwang beruhte, haben wir durch ein halbes Dutzend höherer Klassen erweitert und vervollständigt. In den Anstalten wird unsere Jugend bis zum Alter von einundzwanzig Jahren erzogen. Sie erhält hier, was man zu Ihrer Zeit die ‚Erziehung gebildeter Menschen’ zu nennen pfleg te. Früher wurde sie mit vierzehn oder fünfzehn Jahren in den Kampf mit dem feindlichen Leben gestoßen, und ihre ganze geistige Ausrüstung dafür bestand in der Kenntnis des Lesens und Schreibens und der vier Spezies.“
    „Abgesehen von den Mehrkosten solch einer verlängerten Erziehungszeit“,

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