Ein schicksalhafter Sommer
gegeben. „Ein für alle Mal, der Karl interessiert mich nicht, und ich werd mich ganz bestimmt nie wieder mit ihm treffen“, sagte sie betont ruhig. Sie sah ihre Schwester noch eine Weile prüfend an, ob sie auch erkannt hatte, wie ernst es ihr war, dann drehte sie sich um und ging schnell weiter den Feldweg entlang.
Sofia brauchte nur einen kleinen Augenblick, um sich von ihrer Sprachlosigkeit zu erholen. „Warte, Katrin“, rief sie und lief ihr nach. Als sie sie eingeholt hatte, hielt sie ihre Schwester am Ärmel fest. „Wo willst du denn hin?“
„Nirgendwo. Einfach nur spazieren. Du weißt doch, dass ich das oft mache.“
„Ja, aber doch nicht jetzt. Das ist viel zu gefährlich. Stell dir vor, du begegnest Kalter!“
Das war genau das, was sie hoffte. „Zu gefährlich. Du spinnst ja.“ Langsam wurde sie wütend. „Das ist ja bei dir schon zu einer fixen Idee geworden. Du musst dir mal selber zuhören. Robert hat sich, seit er hier ist, nichts zu Schulden kommen lassen, er arbeitet für zwei, und wenn man ihm freundlich begegnet, dann ist er es auch.“
„Du willst mir erzählen, er ist freundlich zu dir?“
„Allerdings. Und nicht nur zu mir. Auch zu Otto und Mama und Papa. Wenn du und Oma nur endlich mit dieser Hexenjagd aufhören würdet.“
„Du ereiferst dich ja ganz schön.“
„Ja, weil ich es nicht mehr hören kann, wie andauernd auf einem lieben, netten Menschen rumgehackt wird.“
„Einem lieben, netten Menschen?“, japste Sofia. „Du musst von Sinnen sein.“
„Hast du dir je die Zeit genommen, dich mit ihm zu unterhalten?“
„Ich wusste ja noch nicht einmal, dass er sprechen kann.“
„Verarschen kannst du jemand anders.“ Katrin ging weiter den Feldweg entlang.
„Nein, im Ernst, Katrin. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du dich mit dem Kerl da angeregt unterhältst.“
„Nun, das tun wir aber.“ Oder sie hatten es immer getan. Wo mochte Robert nur stecken?
„Und worüber redet ihr so?“
„Das geht dich nichts an.“
„Das geht mich nichts an? Langsam beginne ich mir Sorgen zu machen.“ Sofia lachte ungläubig auf. „Wann unterhaltet ihr euch denn so? Als Nächstes erzählst du mir jetzt auch noch, da ss ihr gemeinsam durch die Landschaft wandert.“
„Weißt du, wie merkwürdig das Ganze hier ist? Ich bin deine ältere Schwester und du behandelst mich, als wäre ich deine Tochter. Frage ich dich, wie du deine Zeit verbringst oder mit wem du dich rumtreibst?“
„Ich weiß auch, was ich tue.“
„Und ich nicht?“ Katrin konnte nicht glauben, in was für Bahnen dieses Gespräch verlief.
„Katrin“, sprach Sofia ernst, „ jetzt bin ich ernsthaft beunruhigt. Du unterhältst dich gerne angeregt mit dem lieben, netten, freundlichen Robert, den du auch gar nicht so hässlich findest, wie ich mich gerade erinnere in einem früheren Gespräch erfahren zu haben. Und damals hast du auch den armen Karl wie einen Trottel in der Küche sitzen lassen und bist zu diesem Ungeheuer gerannt. Au weia, mir schwant Böses. Deine heftige Ablehnung Karls nach eurer heutigen Ausfahrt erscheint mir plötzlich in einem ganz anderen Licht.“ Sofia rang die Hände und schluckte. „Katrin“, flüsterte sie dann entsetzt, „du hast ja wohl so viel Verstand, dass du dich von dem Knecht fernhältst, nicht wahr?“
„Sofia, was plapperst du denn da? Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Katrin merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde und wusste, dass ihre Schwester ihr die Lüge ansah.
„Und ob du das weißt.“ Sofia wurde blass. „Der verdammte Bastard hat sich an dich heran gemacht.“
„Himmel, Sofia, man merkt, dass du dich in feinen Kreisen bewegst, mit deiner gehobenen Ausdrucksweise. Der Georg wäre begeistert.“
„Du brauchst gar nicht abzulenken. Bitte, Katrin, sag, dass ich mich täusche.“
„Du täuschst dich. Und jetzt lass mich bitte endlich in Ruhe. Ich fühle mich heute nicht wohl.“
„Wissen Mama und Papa davon? Nein, natürlich nicht“, beantwortete sie ihre eigene Frage.
„Wehe, du erzählst Mama und Papa von deinen Hirngespinsten. Die haben schon genug Sorgen, ohne dass du sie mit irgendwelchen Wahnvorstellungen aufregst.“ Damit ließ Katrin ihre jüngere Schwester stehen und machte sich auf die Suche nach Robert.
Kapitel 12
Georg hörte, wie die Schuppentür zugeknallt wurde, und kurz darauf polterte seine Frau die Treppe hinauf. Resigniert schloss er für einen Augenblick die Augen. Es war noch ein weiter Weg, bis
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