Ein schicksalhafter Sommer
Überdreht trat Sofia auf ihre Mutter zu und drückte ihr eine Dose Bohnenkaffee in die Hand. Dann trat sie von ihrer sprachlosen Mutter zu ihrem Vater. „Und für dich hab ich guten Tabak mitgebracht.“ Sie legte ihm einen Beutel in den Schoß. „Und jetzt sei nicht wieder garstig, Papa. Das hat nichts mit Almosen zu tun, ich wollte euch nur etwas schenken. Wofür haben wir denn einen Laden mit Kolonialwaren.“ Nach diesem überschwänglichen Monolog hörte man die große Wanduhr ticken.
„Was ist nur mit dir los, Mädchen?“, ließ ihre verdatterte Mutter schließlich verlauten. „Du bist ja völlig aus dem Häuschen.“
Sofia taten Tränen in die Augen. „Was soll denn mit mir los sein? Darf ich meinen Eltern nicht mal einen Besuch abstatten und eine kleine Aufmerksamkeit mitbringen?“
Luise wirkte bestürzt, als die Stimme ihrer Tochter immer schriller wurde. „Natürlich, Fia. Komm, setz dich jetzt erst mal. Ich hab Apfelkuchen gebacken, den wollten wir gerade essen. Da mach ich jetzt sofort den leckeren Kaffee dazu.“ Sie schob ihre Tochter zu einem Stuhl, doch Sofia sträubte sich. „Nein, danke, Mama. Ich habe keinen Appetit. Ich setz mich etwas in den Garten.“ Damit flüchtete sie durch die Hintertür.
„Ich hab es ja gleich gewusst, als ich die Arme heute Morgen gesehen habe. Sag noch einer, ich kenne meine Kinder nicht.“ Besorgt sah Luise ihrer Tochter hinterher. „Die Ärmste hat bestimmt Streit mit Georg. Auch das noch.“
„Ja, Luise, das ist ja auch nicht schwer zu erraten. Und ich hoffe, du hältst dich da raus.“
Luise drehte den Kopf langsam in die Richtung des knarzenden Schaukelstuhls. „Was willst du denn damit sagen, Mine? “
„Damit will ich sagen, dass das Mädchen den Winter haben wollte, jetzt hat sie ihn geheiratet und jetzt muss sie gucken, wie sie klar kommt. Und da braucht sie keine Mutter, die ihr da reinredet.“
„Was fällt dir ein? So weit kommt es noch, dass ich mich nicht am Wohlergehen meiner Tochter störe“, schnaubte Luise empört.
„Hoffentlich schickst du sie jetzt sofort nach Hause. Sofia ist verheiratet und sie muss das Beste daraus machen. Wenn du sie hier in deine tröstenden Arme nimmst, geht sie nachher gar nicht mehr. Es ist nicht gesund, wenn man sich in die Ehe anderer einmischt.“
„Das wird ja immer schöner. Jetzt soll ich mein eigen Fleisch und Blut vor die Tür setzen“, lachte Luise empört auf.
„Wo Mutter Recht hat, hat sie Recht, Luise. Ich werd sie nach Hause schicken, damit sie weiß, wo ihr Platz ist.“
„Untersteh dich, Hermann“, ereiferte sich Luise und stapfte auf ihren Mann zu. „Meine Kinder sind hier immer willkommen. Wenn sie bereit ist, wird sie schon gehen. Sie ist ja nicht ohne Grund gekommen und sie wird schon mit der Sprache rausrücken. Und solange bleibt sie hier.“ Mit blitzenden Augen sah sie von ihrem Mann zu ihrer Schwiegermutter.
Hermann gab auf. „Wenn es um die Kinder geht, ist mit dir einfach nicht zu reden, Luise. Sie h nur zu, dass sie hier nicht heult und zetert und wehe, ich hab hier einen wütenden Ehemann vor der Tür stehen, hast du mich verstanden?
„Also Hermann“, setzte Luise empört zum Sprechen an, doch er winkte ab. „Mach doch, was du willst. Aber lass mich mit diesem Mist in Ruhe.“
„Wie schön zu sehen, wie sehr dir das Glück deiner Tochter am Herzen liegt“, keifte Luise.
„Du machst ein Theater, und wahrscheinlich wollte sie wirklich nur das Buch vorbeibringen.“ Hermann erhob sich. „Hoffentlich hat sie vor lauter Geschenken wenigstens nicht die alten Zeitungen der letzten Woche vergessen.“ Er spähte in Sofias Korb und brummte befriedigt. „Na, wenigstens etwas.“ Er nahm sich eine Zeitung heraus und ging zur Haustür.
„Was machst du denn jetzt?“
„Frag doch nicht so dumm. Was soll ich wohl machen? Ich gehe aufs Klo, da hab ich wenigstens meinen Ruhe.“
„Und ich gehe und schlage jetzt erst mal die Sahne für den Kuchen. Wenn das Kind was im Magen hat, sieht die Sache schon ganz anders aus.“ Damit watschelte Luise in die Butterkammer.
Kapitel 13
Sofia erinnerte sich gerade rechtzeitig an ihre Manieren und hinderte sich selbst daran, die Nase hochzuziehen. Stattdessen schnäuzte sie vorsichtig in ihr Taschentuch. Georg wäre stolz auf sie. Bei diesem Gedanken kamen ihr wieder die Tränen. Sie wusste eigentlich gar nicht genau, warum sie heute so durch den Wind war. Georg war heute Morgen zu ihr gekommen und hatte sich
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