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Ein schicksalhafter Sommer

Ein schicksalhafter Sommer

Titel: Ein schicksalhafter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Frenken
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ich eine schöne Zeit.“
     
    Katrin betrachtete ihn, wie er so dastand, düster und grüblerisch, die Hände in den Taschen, und sie fragte sich, was er gerade vor seinen Augen sah, als er jetzt blind in die dämmrige Landschaft stierte. Schließlich blinzelte er und sah sie wieder an.
    „Wir haben damals mitten im Ruhrgebiet gewohnt. Mein Opa schaffte unter Tage. Und meine Oma und ich haben abends immer auf der Bank vor dem Haus gesessen und auf ihn gewartet. Es war eine Arbeitersiedlung, und es gab jede Menge Kinder.“ Er lachte auf. „Und ich hab mir ihnen gespielt. Ja, das hab ich. Ein paar waren dabei, die mich wegen meines Mals hier“, er zeigte mit dem Finger auf seine Gesichtshälfte, „gehänselt haben, aber viele haben ganz normal mit mir gespielt.“
    Er sagte das so ungläubig, dass Katrins Herz sich vor Mitleid zusammenzog.
    „Oma und Opa waren immer freundlich, obwohl sie es bestimmt nicht einfach hatten, wenn ich jetzt so zurückdenke. Aber sie waren immer gut zu mir.“ Traurig lächelte er Katrin an. „Ich soll dir beschreiben, wie es aussah, da, wo ich früher gewohnt habe? Da waren jede Menge Kohlegruben, Zechen und Industrieanlagen. Wenn meine Oma in der Siedlung, wo wir gewohnt haben, ihre saubere weiße Wäsche zum Trocknen aufgehängt hat, war sie an manchen Tagen nachher schwarz, so dreckig war die Luft ab und zu. Es war laut und es waren viele Menschen, die dicht beieinander lebten. Aber das war für mich der schönste Ort, an dem ich je gelebt habe.“
    „Ja, das kann ich verstehen, Robert“, sagte sie weich.
    „Du hattest Recht. Wenn ich jetzt so zurückdenke, dann habe ich doch viele schöne Erinnerungen an diese Zeit.“
    „Und was ist dann passiert, dass du von da fortgezogen bist?“
    „Sie sind gestorben“, sagte er brüsk.
    „Das tut mir leid.“
    „Ja, mir auch.“ Eine Weile stand er in Gedanken versunken einfach nur da. Dann sah er mit einem traurigen Lächeln zu Katrin hinüber. „Und jetzt lass uns endlich nach Hause gehen.“
    Diesmal nahm sie seinen Arm und gemeinsam verließen sie die Allee. Als sie wieder auf das freie Feld traten, war der Wind dort heftiger, als sie erwartet hatte, und sie rückte noch näher an Robert heran. Er starrte düster auf den Himmel, wo sich dicke, dunkle Wolken türmten. „Mist, sie h dir das an. Wir werden noch nass werden. Und bis wir zu Hause sind, ist es stockfinster.
    „Ja, ich glaub, du hast Recht“, stimmte sie ihm zu. Der Regen interessierte sie im Moment nicht. „Wie alt warst du denn, als deine Großeltern gestorben sind?“
    „Du lässt auch nicht locker“, stöhnte er. „Das ist doch egal. Was interessiert dich so etwas?“ Genervt stieß er die Luft aus. „Ich weiß nicht so genau. Acht oder neun schätze ich.“
    „Und wo bist du dann hingekommen?“
    „Wieder zu meinem Vater.“
    „Und warum hast du bei deinen Großeltern gelebt, wenn deine Eltern gar nicht tot waren?“
    „Meine Mutter war tot und mein Vater“, er stockte, „mein Vater konnte sich nicht um mich kümmern. Also haben die Eltern meiner Mutter mich zu sich genommen.“
    „Und nach deren Tod bis du wieder zu ihm gekommen. Warum war dein Leben denn da nicht mehr so schön? Hast du dich nicht mit ihm verstanden?“
    „Ich kannte ihn gar nicht. Ich hatte ihn noch nie im Leben gesehen. Zumindest hatte ich keine Erinnerung mehr daran.“
    „Er hat dich zuvor nie bei deinen Großeltern besucht?“ Ungläubig sah sie Robert an.
    „Nein, und als ich in dem Kaff ankam, wusste ich auch, warum. Die Leute haben mich angeguckt, als hätte ich zwei Köpfe.“
    Katrin fragte sich, ob Robert bewusst war, wie viel Hass in seiner Stimme lag.
    „Ich war zwar daran gewöhnt, dass man mich schief ansah, aber so entsetzlich fand ich mich auch nicht. Damals hatte ich die Narben an der Schläfe noch nicht, weißt du“, erklärte er seiner Freundin. „Und meine Augen hatten zuvor in der Stadt auch nicht solch großes Aufsehen erregt.“
    Katrin betrachtete sein Profil. Sie fand ihn auch jetzt nicht entsetzlich. Mit der Zeit hatte sie sich an den Anblick des Males und der Narbe gewöhnt und nahm sie kaum noch war. Sie strich ihm über die glattrasierte Wange. Nach drei Tagen war seine Hand heute wieder soweit verheilt gewesen, dass er sich wieder rasieren konnte. Als er sie anblickte, sah sie in seine verschiedenfarbigen Augen und küsste ihn sanft. „Die Leute sind dumm, Robert. Für mich bist du der schönste Mann, den ich mir vorstellen kann.“
    Das

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