Ein schicksalhafter Sommer
noch unangenehm in Erinnerung hatte.
„Du hast mir gar nichts zu sagen“, stieß Robert wütend aus. Der Hass schnürte ihm beinahe die Kehle zu.
„Also, Robert, bitte!“ , beschwor Katrin ihn. Noch einmal sah sie ihn warnend an, dann machte sie sich los und drehte sich zu Karl herum.
„Guten Morgen, Karl“, lächelte sie gezwungen.
Karl sah noch ein paar Augenblicke länger Robert an, ehe er ihre Hand nahm.
„Ja, noch einmal, guten Morgen. Ich hoffe, es geht dir gut?“ Wieder warf er einen anklagenden Blick auf den Mann neben ihr.
„Ja, danke.“
„Gott sei Dank. Du glaubst gar nicht, wie enttäuscht ich letzten Sonntag war, als ich fragte, ob ich euch besuchen könne und du ablehnen musstest, weil es dir nicht gut ging. Ich war schon besorgt, du wärest vielleicht krank geworden. Aber dem ist ja nicht so, und mein Tag ist gerettet. Ich kann es kaum erwarten, heute Abend mit solch einer bezaubernden Frau das Erntedankfest zu feiern. Wir werden natürlich auch das Tanzbein schwingen.“
Robert sah den beiden mit wachsendem Unmut zu. Er stand hier wie ein Hanswurst, während sein Nebenbuhler seine Freundin zum Tanz einlud und immer noch ihre verdammte Hand festhielt.
„Ja, äh, wir werden wohl kommen ,“ sagte Katrin mit einem Hauch Verzweiflung in der Stimme. Sie entzog ihm ihre Hand. „Wir müssen dann jetzt auch los, Karl.“
„Ja, natürlich. Dann bis heute Abend.“ Er musterte noch einmal Robert von oben bis unten, ehe er langsam weiter ging.
„Jetzt hab ich aber die Schnauze voll.“ Wütend sah Robert Katrin an, sobald Karl außer Hörweite war.
„Pst, nicht so laut!“
„Der betatscht dich und glotzt dich an, als gehörst du ihm schon und ich steh daneben.“
Katrin schnappte nach Luft. „Betatschen! Er hat mir die Hand geschüttelt.“
Robert kniff die Augen zusammen. „Wann sagst du dem endlich, dass er sich zum Teufel scheren soll? Oder willst du dir das Krückstück vielleicht doch noch warm halten?“
„Jetzt reicht es mir aber. Du weißt genau, dass das nicht-.“
„Ja, mir reicht es auch. Sofort haltet ihr beiden jetzt den Mund“, schnitt Hermann seiner Tochter das Wort ab.
Die wütende Stimme ihres Vaters ließ Katrin augenblicklich verstummen. Sie schluckte und sah in die schockierten Gesichter ihrer Familie.
In gespanntem Schweigen ließen sie den Kirchplatz hinter sich. Hermann bebte vor Zorn, Luise sah wohl immer noch die verwirrten Gesichter der Winters vor sich, Katrin hatte sich offensichtlich noch nicht von der Schmach erholt und was in seinem Knecht vorging, darüber mochte Hermann nicht nachdenken. Nur Otto pfiff vor sich hin, da ihm von seinem Vater das Sprechen verboten worden war, als er nachgefragt hatte, was los war.
Steifbeinig stakste Hermann voran, die Blicke der anderen Dorfbewohner stachen wie Nadelstiche in seinen Rücken. Da hatten die Nessels wieder einen Auftritt hingelegt, vom Allerfeinsten! Wenn noch irgendeiner an den Geschichten, die Arne Nigatz neulich in der Kneipe zum Besten gegeben hatte, Zweifel gehegt hatte, so waren diese nach dem heutigen Schauspiel endgültig ausgeräumt worden. Hermann überlegte nur noch, wen er erschießen sollte, den Knecht oder sich selber.
Die Kneipe würde gleich gerammelt voll sein, und wenn die Leute nachher lachend unter den Tischen lagen, so hatten sie dies Hermann Nessel zu verdanken. Er öffnete den Mund, um seinem Zorn Luft zu machen, doch dann schloss er ihn wieder, weil er nicht wusste, wo er anfangen sollte in seiner Wut. Sie bogen in den Feldweg ein und auch der Rest des Heimweges verlief in eisernem Schweigen. Zu Hause angekommen, wurde Otto hinausgeschickt.
„Nun“, sagte Herrmann schließlich mühsam beherrscht, „nach diesem Auftritt kann wenigstens keiner im Dorf mehr behaupten, Kalter würde zu wenig von sich geben. Ich nehme an, sein gesamtes Vokabular hatte er sich für ein größeres Publikum aufgehoben, damit es sich auch lohnt.“
„Papa, das hat doch gar keiner mitbekommen“, wagte Katrin einen Versuch, ihn zu besänftigen.
Sie scheiterte. „Wir standen weiter weg als so manch anderer, und ich konnte euch verdammt gut verstehen.“
„Herrmann, fluch doch nicht.“
„Wir sind heute das Tagesgespräch in jedem Haushalt im Dorf, das könnt ihr euch ja wohl denken.“ Herman ns Stimme schwoll mit jedem Wort weiter an. „Was fällt dir ein, Kalter, so mit meiner Tochter zu sprechen? Und in dieser Sprache. Und vor allen Dingen in dieser Lautstärke“, schrie er.
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