Ein schicksalhafter Sommer
rang. Es war zappenduster auf dem Feldweg, und Katrin konnte gerade einmal den Umriss ihres Begleiters erkennen. Als sie stolperte und Karl sie unterhakte, ließ sie es zu.
„Wir hätten eine Leuchte mitnehmen sollen. Dass ich daran auch nicht gedacht hab. Es tut mir leid.“
„Ich hab auch nicht dran gedacht. Aber jetzt ist es ja nicht mehr weit“, beruhigte sie ihn. „Karl, ich muss dir etwas sagen.“ Schnell sprach sie weiter, ehe sie wieder der Mut verließ. „Es tut mir leid, dass ich es dir erst jetzt sage-.“
„Also Katrin, wenn du auf heute Morgen anspielst, das braucht dir doch nicht leid zu tun. Du hast es ja wohl kaum zu verantworten, wenn euer Knecht nicht weiß, wo sein Platz ist. Ehrlich gesagt, es haben ja doch einige mitbekommen, wie er da dir gegenüber laut geworden ist, und wenn man auch nicht verstehen konnte, was gesagt wurde, so hat man doch gesehen, dass es dich getroffen hat. Wir haben ja alle Verständnis für die Lage deines Vaters, dass er nimmt, was er an Hilfe kriegen kann, aber dass er da jemandem, der in seinem Lohn steht, gestattet, ihn da lächerlich zu machen, tja.“ Bedeutungsschwer beendete Karl seinen Vortrag.
Um Himmels willen, der arme Papa. Sie hatte ihn wirklich zum Gespött gemacht. Dass die anderen ihr Gespräch am Morgen nicht verstanden hatten, war nur ein kleiner Trost. Für einen Moment aus dem Konzept gebracht, besann sie sich wieder auf ihr Vorhaben. „Nein, Karl, das ist es nicht, worüber ich mit dir reden wollte. Schau! Ich habe dich glauben lassen, deine Aufmerksamkeit sei mir willkommen“, sie warf ihm einen Seitenblick zu, aber in der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht erkennen, „aber, nun, dem ist nicht so. Es tut mir leid.“ Er sagte nichts, aber an ihrem Arm merkte sie, wie er seine Armmuskeln anspannte. Sie war so froh darüber, dass sie beide in Dunkelheit gehüllt waren.
Als sein Schweigen andauerte, wurde ihr unbehaglich. „Karl, möchtest du nichts sagen?“ , erkundigte sie sich vorsichtig.
„Nun, das ist eine Überraschung. Darf ich fragen, warum?“
Katrin war froh, die Umrisse des Vierkanthofes vor sich zu sehen und das Gespräch bald beenden zu können. „Ich glaube nicht, dass wir zusammenpassen, Karl. Wenn du ehrlich bist, musst du doch zugeben, dass besser eine andere Art von Frau an deiner Seite stünde, eine, wie soll ich sagen, vornehmere Frau.“
„Aber das ist doch Unsinn.“
„Nein, ist es nicht. Außerdem sollte man sich in der Gegenwart des anderen wohlfühlen, Karl. Aber in deiner Gesellschaft fühle ich mich ein wenig, ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll, unbedarft? Ungebildet?“ Mittlerweile waren sie vor der Haustüre angekommen, und das Laternenlicht an der Hauswand erhellte den vorderen Bereich des Hofes.
Karl sah sie verständnislos an. „Katrin, das sind doch alles keine Gründe. Mit der Zeit-.“
„Karl“, unterbrach sie ihn, „da gibt es noch etwas.“ Wohl oder übel musste sie ihm die Wahrheit sagen, sonst wurde sie ihn niemals los. „Ich bin an jemand anderem interessiert.“
Sie sah in sein erstauntes Gesicht und wusste, dass er jetzt überlegte, wen sie wohl meinen könnte. Katrin nutzte seine Verwirrung, um ihm zu entfliehen. „Es tut mir leid, Karl. Leb wohl.“ Sie öffnete die Haustür, ging hinein und schloss sie erleichtert. Sie fühlte sich von einer schweren Last befreit und lächelte glücklich.
„Na, bist du endlich zur Vernunft gekommen und hast dich von deinem Verehrer nach Hause bringen lassen?“
Katrin zuckte erschrocken zusammen, als sie plötzlich Oma Mines Stimme aus dem Dunkel hörte. Dann erschien sie schlurfend in dem kleinen Korridor und hielt die Lampe hoch, um Katrins Gesicht zu erhellen.
„Oma, du bist noch wach?“
„Ich hab euch draußen reden hören. Und solange ich und Otto mutterseelenalleine hier sind und der Unhold nebenan haust, gehe ich bestimmt nicht schlafen. Und, das war doch der Kofer, oder?“
„Ja, Oma, das war der Karl.“ Katrin fragte sich, ob dieser furchtbare Tag nie enden würde. Das Palaver vor der Kirche, das Drama hinterher, Sofia und die Leute beim Erntedankfest, dann Karl und jetzt auch noch Oma.
„Da bist du wohl doch noch zur Vernunft gekommen, was?“ Oma tätschelte ihrer Enkelin die Hand. „Wir wollen doch nur dein Bestes, Kind. Hör auf deine alte Oma. Ich hab schon so viel erlebt, ich weiß, worauf es im Leben ankommt. Ihr jungen Leute haltet euch für so gescheit, aber nachher, da heißt es immer:
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