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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Sigyn
, aber sie musste in der Nähe sein.
    Auf einmal hob Dominik die Hand, als hätte er etwas entdeckt. Sofort erteilte er einige Befehle, und das Boot pflügte noch wütender durch die hohen Wellen.
    »Wir müssen höher kommen«, rief er den ausreitenden Männern zu. »Sonst schaffen wir es nicht, uns vor das Schiff zu setzen!«
    Dann sah Patrik es, wieder war es nur ein Aufblitzen, aber diesmal war es ein rot-weißes Frachtschiff.
     
    Vor den getönten, stromlinienförmig geschnittenen Fenstern schäumte das Meer, als die
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durch die Wellen schoss. Die luxuriöse, bis aufs letzte Detail durchdachte Inneneinrichtung der Jacht stand in grellem Kontrast zu den Mienen der Menschen, die sich in dem Ambiente aufhielten. Die Geiseln hockten auf Sofas, Bänken und Stühlen, kauerten auf dem Fußboden und den breiten Betten in den Schlafkajüten.
    Sandrine klebte mit Pflaster ein Wundkissen auf Jörgs Hand und warf einen Blick auf Jochem, der ernst vor der schwarzen Jalousie stand. Geir bewachte mit seiner Maschinenpistoledie Tür; beide Männer hüteten sich davor, Blickkontakt mit Sandrine aufzunehmen.
    Auch Sandrine mied ihn, wenngleich sie den Männern am liebsten ihre Fragen ins Gesicht gebrüllt hätte: Was ging hier vor? Warum? In wessen Auftrag? Am schlimmsten war für sie, dass man sie betrogen hatte. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Sie hätte Herman an die Gurgel gehen mögen, musste ihre Wut, Angst und Scham jedoch verbergen – jedenfalls vorerst   …
    Das donnernde Motorgeräusch und das ständige Aufschlagen des Rumpfes auf den Wellen ließen auf ein hohes Tempo schließen, sicherlich an die dreißig Knoten. Die
Cecil II
, die Sandrines Vater in Antibes liegen hatte, schaffte es auf zwanzig Knoten, und die Fahrt jetzt kam ihr deutlich schneller vor.
    Sie ließ langsam den Blick schweifen. Vor ihr saßen genau jene Männer, über die sie in den letzten Wochen so viel gelesen hatte. Sie hatte im Internet Fernsehsendungen gesehen, in denen die Männer Sachverhalte schöngeredet hatten, so gekonnt und überzeugend, dass es einen rasend machte. Sandrines Gedanken waren um genau diese einflussreichen Männer gekreist, die hinter den Kulissen die Fäden zogen und über die Agenda der Medien auf der ganzen Welt entschieden.
    Und jetzt saßen sie hilflos vor ihr. Vor einer Stunde noch hätte Sandrine sie attackieren wollen. Jetzt hatte sie mit ihnen einen gemeinsamen Feind. Trotzdem empfand sie keinerlei Sympathie.
    Unter den Geiseln im Boot befand sich keine einzige Frau. Als sie die gepflegten und gebräunten Gesichter der Gefangenen genauer betrachtete, begriff Sandrine, dass sie überhaupt nicht ängstlich oder beklommen wirkten, sie strahlten eher eine fast arrogante Neugier aus. Nichts konnte ihr Selbstbewusstsein erschüttern.
    Genau diese Haltung zeigte, dass sich die Welt in den Händen von hartgesottenen Männern befand – von zu hartgesottenen. Solange sie sich für unberührbar hielten und über allem standen, waren sie auch in ihren Entscheidungen arrogant und scherten sich nicht um die Armen dieser Welt. Ein radikaler Schlag gegen sie war legitim, aber Sandrine akzeptierte keine Gewalt. Was hatte Herman vor?
    »Ich will mit dem Anführer eures Kommandos sprechen«, sagte Sandrine zu Geir, der in der Tür stand.
    Die anderen Gefangenen richteten den Blick auf die mutige Ärztin, die sie für eine Schicksalsgenossin hielten.
    »Warum?«
    »Man muss sich um den Gesundheitszustand der Geiseln kümmern.«
    »Sehen diese Mastschweine so aus, als würde ihnen etwas fehlen?«
    Sandrine antwortete nicht. Die anderen Geiseln schauten sie an und überlegten sichtlich, was sie im Schilde führte.
     
    »Stille Person«, sagte der Polizeichef von Västervik beim Blick durch die Scheibe auf die junge rothaarige Deutsche im Vernehmungszimmer. Sie saß da wie eine Statue, den Blick auf den Tisch gerichtet.
    »Sie hat noch immer nichts gesagt«, berichtete der vernehmende Polizist. »Habt ihr inzwischen etwas über sie herausgefunden?«
    Der Polizeichef schüttelte den Kopf.
    Der Vernehmungsbeamte hob ab, als das Telefon klingelte. Er hörte eine Weile zu, dann sagte er: »Gut, danke.«
    Er nahm ein vergrößertes Foto, das mit Teleobjektiv aufgenommen worden war, in die Hand. Es zeigte eine Frau, die einen Bus bestieg. »Der Hoteldirektor hat dieseFrau als diejenige identifiziert, die knapp eine Woche vor dem Anschlag im Hotel eingecheckt hatte. Sie benutzte den Namen Sandrine Denaux. Sie machte

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