Ein Schlappohr fällt vom Himmel / Der Bankmanager und der Obdachlose: Zwei zum Preis von einem (German Edition)
auf die Bank.
»Könnten wir nicht woanders hingehen?«, fragte Hendrik verunsichert. »Nicht, dass wir noch miteinander gesehen werden, das wäre mir dann doch peinlich.«
»Sieh zu, dass du Land gewinnst, du eingebildeter Fatzke. Mit so etwas wie dir möchte ich absolut nichts mehr zu tun haben. Zuerst mir ständig hinterher latschen. Sich häufig mit mir mitten in der City präsentieren und plötzlich bin ich dir peinlich.«
»War doch nicht so gemeint«, kam es beschwichtigend über Hendriks Lippen. »Wollte damit doch nur sagen, dass es mir hier nicht so gut gefällt, da ich mich doch irgendwie beobachtet fühle.«
»Okay, sagen wir in einer halben Stunde am Rande des Stadtparks. Dort weiß ich ein schönes Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können.« Ohne sich weiter um Hendrik zu kümmern, machte er sich auf den Weg. Denn er war sich absolut sicher, dass dieser so schnell wie nur möglich sich auch auf den Weg machen würde.
Gemeinsam liefen sie kurze Zeit später ein Stück in den Wald hinein, dessen Bäume zurzeit sattgrüne Blätter trugen.
»Hier«, Hendriks „Freund“ zeigte mit dem Kopf in die Richtung, wo die besagte Bank stand. Wortlos lief Hendrik hinter ihm her.
»Das hätten wir geschafft«, grinsend stellte der Obdachlose zwei wahrhaftig schwere Tragetaschen, selbstverständlich gesponsert von Hendrik, neben der Bank ab.
»So, dann werden wir uns nach dem anstrengenden Marsch mal etwas Gutes tun.« Bestens gestimmt entnahm Hendrik aus den beiden Plastiktaschen, die er nach hier geschleppt hatte, zwei Flaschen Bier, die er auch augenblicklich öffnete. Eine davon reichte er dem Landstreicher, der sich freudig dafür bedankte.
»Heute werden wir mal einen draufmachen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich zum letzten Mal so richtig einen über den Durst getrunken habe. Ist auch egal, heute werde ich all das nachholen, was ich in den letzten Jahren versäumt habe.« Auffordernd hob Hendrik die Flasche.
»Prost, greif ruhig ordentlich zu«, Hendrik war regelrecht aufgekratzt. »Wir haben mehr als genug hier. Selbstverständlich habe ich auch an Knabbereien gedacht, nicht, dass uns vom Alkohol noch übel wird. Übrigens«, fuhr Hendrik ernst fort, »wäre es meiner Meinung nach höchste Zeit uns namentlich vorzustellen. Ich bin Hendrik.«
»Und ich bin Lud … Ludger«, kam es stammelnd über die Lippen des Obdachlosen.
»Du wirst es sicher nicht glauben Ludger, aber gerade heute beneide ich dich für dieses Leben, was sehr wahrschein lich viele Entbehrungen mit sich bringt, aber auch Freiheit demonstriert. Und gerade dieses Freisein ist es, um das ich dich definitiv beneide.«
»Was ist los Hendrik? Irgendetwas muss doch passiert sein. Sprich darüber. Du wirst sehen, es wird dein Herz erleichtern.«
»Ich habe heute meine Tochter mit einem, der sehr wahrscheinlich vom Bosporus stammt, im Stadtpark beim Knutschen erwischt ... Hendrik erzählte ihm nun haargenau was danach vorgefallen war.
»Na ja, weiß nicht wie ich reagiert hätte, wenn ich meine Tochter mit einem von dort erwischt hätte, aber gleich so brutal werden. Nein, das wäre es auch nicht. Worte bringen manchmal mehr als Taten.« Ludger fand, dass Hendrik absolut überreagiert hatte.
»Ich weiß auch nicht so recht was in letzter Zeit mit mir los ist«, erwiderte Hendrik zerknirscht. »An manchen Tagen habe ich das Gefühl, dass irgendetwas Schwerwiegendes auf mich zurollt, etwas das mich überfährt, ja regelrecht platt walzt und ich danach nicht mehr der sein werde, der ich einmal war.«
»Von irgendwoher kenne auch ich dieses Gefühl. Liegt aber schon einige Jahre zurück. Damals habe ich alles einfach so aufgegeben, mich wie ein Dieb davon geschlichen. Ja und eines Tages merkte ich, ich hatte mich geirrt, aber trotzdem gab es keinen Weg mehr zurück … weil ich mich für meine Schwäche auch noch heute schäme.« In Gedanken versunken nahm Ludger einen großen Schluck aus der von Hendrik gesponserten Schnapspulle. Er konnte Hendriks Ängste nur allzu gut verstehen …
»Wer bist du? Und von wo kommst du?«, fragte Hendrik aufmerksam.
»Ich bin Ludger, der Obdachlose alles andere interessiert nicht mehr. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen. Obwohl ich durch dich langsam aber sicher, immer öfter mit ihr konfrontiert werde.«
Während Hendrik und Ludger im wahrsten Sinne des Wortes einen über den Durst tranken, waren Sandra und Anna-Lena am Überlegen wie es weitergehen sollte.
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