Ein Schlappohr fällt vom Himmel / Der Bankmanager und der Obdachlose: Zwei zum Preis von einem (German Edition)
Millers Cousin besaß dort eine recht komfortable Hütte, die er nun für unbestimmte Zeit, selbstverständlich zu einem recht hoch angesetzten Preis, den vier Männern überließ.
Schon beim Flug über das weite Land machte Hendriks Herz einen freudigen Hüpfer nach dem anderen. Der blaue Himmel, der von ein paar Schönwetterwolken verziert wurde sowie der Blick auf das türkis schimmernde Gewässer, die grünen Wälder sowie die schneebedeckten Berge, ließen Hendrik seinen Schmerz vergessen. Hier würde er so lange bleiben bis sein Herz zu schlagen aufhörte, dessen war er sich absolut sicher.
Hendrik fühlte sich im Holzhaus am Kenai Flussufer absolut wohl. Trotz aller Erwartungen war es doch recht einfach mit ihm. Voller Elan warf er die Angelrute aus und wartete geduldig, dass einer der in dem Gewässer beheimaten Lachse anbiss. Nach jedem Fang freute er sich wie ein kleines Kind, was ganz besonders Ludger glücklich stimmte. Ohne zu murren aß er genüsslich die von Marc Miller wahrhaftig köstlich zubereiteten Fische, auch ließ er tagtäglich völlig problemlos kleinere Untersuchungen über sich ergehen. Bislang war Doc Barnes zufrieden mit der gesundheitlichen Konstitution seines Patienten. Es war nur zu hoffen, dass es auch weiterhin so bliebe.
Mit der sich nähernden Winterzeit, änderte sich auch Hendriks Stimmungswandel, weil die dort ungewohnte, lang anhaltende Dunkelheit seinem kranken Gemüt absolut nicht gut tat. Er schrie, war ungerecht, beschimpfte und warf mit Gegenständen nach seinem Bruder und nach den beiden anderen Männern. Es war schon ein echtes Kreuz mit ihm. Nur gut, dass Doc Barnes, trotz seiner Alkoholprobleme, stets umsichtig handelte und stets die richtigen Medikamente parat hatte. Ab und an, wenn es Hendriks Zustand zuließ, unternahm Ludger einen Gang durch den Schnee mit ihm, was Hendrik aber stets sehr schnell ermüdete. Besorgt mussten die drei Männer feststellen, dass sich nicht nur Hendriks Allgemeinzustand veränderte, sondern auch seine Gesichtszüge langsam aber stetig sich änderten, sie sahen inzwischen quasi wie in Stein gemeißelt aus. Obwohl sie alles taten damit es Hendrik zumindest einigermaßen gut ging, verfiel er immer mehr. Im folgenden Sommer konnte er nur noch regelrecht teilnahmslos im Rollstuhl sitzend seinem Bruder beim Lachse fangen zusehen. Ludger wurde mit jedem Tag immer mehr bewusst, dass es gewiss nicht mehr allzu lange dauern würde, bis sich sein Bruder von dieser Welt verabschiedete. Alleine schon der Gedanke, trieb ihm die Tränen in die Augen. Er liebte Hendrik über alles, nichts, aber auch gar nichts war ihm zu viel für ihn. Wenn er ihm doch nur diese schreckliche Krankheit nehmen könnte …
Indessen, saß Ludger Abend für Abend mit einem Buch in der Hand haltend an Hendriks Bett. Obgleich Hendrik es meistens nicht mehr so recht mitbekam, las er ihm trotzdem stets etwas daraus vor. In der Hoffnung, dass ihm seine wohlbekannte Stimme gut tun würde.
»Bruder … ich habe noch einen … allerletzten Wunsch, bevor ich für immer von dir gehe. Bitte … schlage ihn … mir nicht … ab. Ich möchte … dass du vom Flieger aus meine Asche über dem … Kenai in alle … Winde … zerstreuen … lässt.« Ludger, der sich tief zu Hendrik hinabbeugen musste, damit er seine Worte, die wie ein Hauch über seine Lippen kamen, überhaupt verstehen konnte, gab ihm unter Tränen sein Wort. Das war das letzte Mal, dass Hendrik gesprochen hatte. Mit einem erleichterten Seufzer schloss er die Augen. Behutsam nahm Ludger seine Hand. Verzweifelt blickte er zum Himmel. Er hoffte inständig, dass sein Bruder nicht mehr allzu lange leiden musste …
Etwa zwei Monate später wurde Hendrik Maurer von seinem Leiden erlöst. Obgleich Ludgers Herz, wegen dem Tod seines Bruders höllisch schmerzte, war er dennoch dankbar, dass Hendrik es endlich geschafft hatte. Er hielt so lange Totenwache an Hendriks Bett, bis er von zwei Angestellten eines Beerdigungsinstituts abgeholt wurde. Für Hendrik wird es in den kommenden Tagen eine kleine Trauerfeier geben, danach wird man ihn zum Krematorium nach Juneau bringen …
Nach drei Wochen war es so weit. Ludger konnte nun den letzten Wunsch seines Bruders erfüllen.
Drei ungleiche, schweigsame Männer standen gemeinsam vor Marc Millers alter Cessna. Nur noch wenige Minuten, dann würden sie einsteigen um Hendrik Maurers letzten Wunsch zu erfüllen.
»Zum allerletzten Mal Grüße ich jenen
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