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Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
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Diesen inneren Schweinesauhundsack muss man ignorieren, so gut es geht. In meiner Situation ist ein selbständiger Gang zur Toilette eben eine tolle Leistung und sollte Ansporn genug sein, weitere Dinge ohne Fremdhilfe zu erledigen, so simpel sie auch einem gesunden Menschen erscheinen mögen. Einfach mal den Armstrong ummogeln: »Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein gewaltiger für mich!«
     
    In den Osterferien 2010 waren wir wieder auf Ibiza, das war sehr schön, weil meine Mutter auch mit war. Als wir in den Herbstferien 2009 hingefahren waren, sagte sie noch: »Wer weiß, ob ich da noch mal hinkomme.« Das hat mich sehr traurig gemacht. Meine Mum ist ein zähes Mädchen und gibt so schnell nicht auf, darum war ich umso bestürzter über ihre Gedanken.
    Aber sie surft auch konsequent an ihrem körperlichen und geistigen Limit. Sie pflegt mich, die Hunde, kümmert sich um Haus und Garten, und das alles mit einer Energie, die vermuten lässt, dass sie nachts neben einem Kernkraftwerk schläft, an dem sie wieder aufgetankt wird. Und mit »geistigem Limit« meine ich natürlich die Tatsache, dass sie meine Situation mit all den daraus resultierenden Konsequenzen ungeheuer mitnimmt und ich manchmal das Gefühl habe, sie durchlebt ebenfalls alle Gemütsfacetten meiner Krankengeschichte von A bis Z.
    Hinzu kommt noch der Herr Sohn, der zwar unbestritten ein feiner Kerl ist, aber trotzdem auch ein Teenager in der Pubertät. Und was das heißt, kann man sich gerade bei Jungs gut vorstellen, oder? Das Testosteron wird auf vollen Touren produziert, obwohl so gut wie keine Abnehmer vorhanden sind. Will sagen Angebot und Nachfrage durch hübsche Abnehmerwesen stehen sich gerade in dieser Zeit oft noch in einem extremen Missverhältnis gegenüber. Die ersten Damen werden hier ins Haus gebracht, aber ob und was läuft – nun ja, das würde ich zwar gerne wissen, aber nichts Genaues weiß man letztlich, solange Monsieur schweigt.
    Natürlich kacheln wir drei auch oft aneinander, aber auch das kennt wohl jeder, der Kinder in diesem Alter hat.
    Jedenfalls hat es die Mum wirklich nicht leicht mit uns, und dank unserer Freunde Ricky und Pia konnten wir eben Ostern wieder alle zusammen auf die Insel fahren, denn die beiden haben in dieser Zeit unser Haus und die Hunde gehütet. Die Mum hat sich so sehr gefreut, das war Pudding für die Augen! Das war so schön zu sehen, wie sehr sie die Sonnenstrahlen, das Meer und den Tapetenwechsel genossen hat. Das hat mich selber so ein bisschen von meinem aufkommenden Blues befreit, denn ich selber bin manchmal sehr traurig, wenn ich auf Ibiza bin. Weil mir dann besonders auffällt, was ich nicht mehr kann, weil mein linker Arm und mein linkes Bein noch sehr viel pausieren. Aber die Freude der Mum hat mich richtig mitgezogen und motiviert. Wir waren dann auch viel ohne Rolli unterwegs und hatten Spaß wie ein Schnitzel.
    Meine Tagesabläufe auf der Insel gestalten sich natürlich sehr unterschiedlich von denen zu Hause, da ja die ganzen Therapiestunden wegfallen. Aber das ist schon okay, schließlich ist es ja auch mein Urlaub.
    Zu Hause laufen die Tage meistens so ab, als Beispiel nehmen wir mal Prince und den Bangles zuliebe einen »Manic Monday«! Oder halten wir uns doch an Bob Geldorf und die Boomtown Rats mit »I dont’t like Mondays«. Montag ist einfach nicht der beliebteste Tag, daran wird sich wohl nichts mehr ändern – es sei denn, irgendein beliebter Popstar schreibt endlich mal eine positive Montagshymne. Aber egal: Ich bemühe mich also zwischen acht und neun Uhr aufzustehen – die Betonung liegt auf bemühe –, denn wenn ich mal wieder nachts nicht schlafen konnte, bleibe ich auch schon mal eine halbe Stunde länger liegen. Aber um neun Uhr ist definitiv aufstehen angesagt. Seit dem drissdrecksdrisseligen Schlaganfall bin ich sehr wetterfühlig geworden, und manchmal bin ich einfach nur sackmüde. Diese Tage nerven mich besonders ab, denn gegen diese Müdigkeit hilft nur sehr wenig, weil ich mir ja den Wetterschlunz nicht aus den Knochen dengeln kann, indem ich aus dem Rollstuhl springe und mal eben wie früher mit den Hunden die Trabrennbahn um die Ecke durchpflüge.
    Also, wenn ich dann aufgestanden bin, gibt es erst mal eine gepflegte Injektion Kaffee, die alltägliche Körperpflege mit großer Waschlappenrundfahrt, und ab da heißt es dann richtig: »Hallo, Tag!« Frühstücken war und ist bei mir nicht groß angesagt, stattdessen bin ich eher der

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