Ein schöner Ort zu sterben
Junge stolperte durch die offene Tür und reckte die Flaschen hoch wie ein siegreicher Held. Ein Chor von Jubelschreien begrüßte ihn. Offensichtlich war Louis nicht der Einzige, der darauf wartete, dass endlich der Whisky floss.
An der offenen Schuppentür riskierte Emmanuel einen Blick ins Innere. Hansie, Louis und zwei andere Burschen mit sommersprossigen Nasen saßen auf einer ölfleckigen Decke und reichten die angebrochene Flasche herum. Die zweite bernsteinfarbene Flasche stand mit abgeschraubtem Verschluss in der Mitte bereit.
»He, Hansie.« Ein Junge mit einer Zahnlücke, durch die ein Zug gepasst hätte, nahm einen Schluck aus der Flasche. »Louis hier behauptet, dass Bothas Tochter gar nicht das schönste Mädchen in der Gegend ist. Er sagt, er hat schon Bessere gesehen.«
»Wen?«, fragte Hansie entgeistert. »Wer soll denn noch schöner sein als die? Da gibt’s keine.«
»Ich habe eben einen anderen Geschmack als ihr.« Louis schob sich das wirre Haar aus der Stirn. »Eins dürft ihr nicht vergessen: Egal, wie anständig sich eine Frau gibt, egal, wie scheu und rein sie aussieht, trotzdem ist Adam wegen einer Frau der Sünde anheimgefallen.«
»Genau darauf hoffe ich ja die ganze Zeit, Mann«, gab Hansie zurück.
Der Polizist löste allgemeines Gelächter aus, das noch andauerte, als Emmanuel schon im Busch verschwand. Länger brauchte er nicht mehr zu bleiben, um zu wissen, wie der Abend weitergehen würde. Sie würden über Mädchen reden, über erfundene und echte. Dann würde irgendeiner, höchstwahrscheinlich Hansie, den anderen vorlügen, wie er seine Jungfräulichkeit verloren hatte. Danach würden sie weiter über Mädchen reden, über Autos und das nächste Tanzvergnügen. Und die ganze Zeit über würden in Louis der Löwe Gottes und der jugendliche Sünder miteinander um die Oberhoheit ringen.
15
Früh am nächsten Morgen schaute Emmanuel beim Mercy of God -Krankenhaus vorbei. Er fand Schwester Bernadette und Schwester Angelina auf der offenen Veranda, wo sie etwa zwanzig Waisen kalten Haferbrei ohne Milch zum Frühstück gaben. Emmanuel wartete, bis sie die letzte Schale verteilt hatten, und ging dann auf sie zu. Er wusste selbst nicht, wie er seine Bitte formulieren sollte.
»Schwestern …«Er räusperte sich und fing noch einmal von vorne an. »Ich würde Sie gern darum bitten, dass Sie mir auf einem Foto die Identität von Captain Pretorius bestätigen.«
»Selbstverständlich«, sagte Schwester Bernadette. Die winzige weiße Nonne wischte sich an ihrer Schürze die Hände ab. »Haben Sie einen Stift dabei, Detective?«
»Ja, habe ich … es ist nur … ich …« Er unterbrach sich.
»Ja?«, half Schwester Angelina nach. Sie setzte einen riesigen Metalltopf auf einem Servierwagen ab und schaute dabei zu Emmanuel hinab.
»Ich sollte Sie vielleicht warnen, dass es ein … provozierendes Bild ist. Eins, das Sie verstören oder schockieren könnte.«
»Oh …« Schwester Bernadette lächelte gequält. »In diesem Fall sollten wir es wohl möglichst rasch hinter uns bringen.«
Dem Herrn sei Dank für die pragmatischen katholischen Schwestern, dachte Emmanuel und zog den zweiten der beiden Umschläge aus der Ledertasche. In fünfzehn Minuten würde Miss Byrds Cousine Dolores Bunton die Fotos mit dem Expressbus nach Jo’burg bringen.
Schwester Angelina führte ihn hinüber zum anderen Ende der Veranda, wo eine alte, mit einem Laken bedeckte Trage stand. Hier konnten die Kinder nichts mehr sehen oder hören. Emmanuel zögerte noch einen Moment, dann zog er das Foto aus dem Umschlag.
»Sehen Sie sich das Bild an«, bat er, »und dann drehen Sie es bitte um und schreiben Sie: ›lch bezeuge, dass dieses Foto tatsächlich Captain Willem Pretorius zeigt.‹ Darunter müssen Sie bitte beide unterschreiben und das Datum eintragen.«
Als er das Foto umdrehte und auf die Trage legte, merkte er, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Er wurde tatsächlich rot.
»Du liebe Güte!«, keuchte Schwester Bernadette.
»Grundgütiger!« Schwester Angelina bekreuzigte sich und musste ein paar Mal blinzeln.
»Das ist ja eine Überraschung …«, murmelte die kleine irische Nonne. »Ich hatte keine Ahnung.«
»Yebo.« Schwester Bernadette räusperte sich. »Wer hätte gedacht, dass der Captain so strahlen konnte.«
»Ja wirklich.« Schwester Bernadette schob sich eine nicht vorhandene Haarsträhne unter ihr Häubchen. »Ich kann mich nicht erinnern, ihn schon jemals so glücklich gesehen zu
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