Ein schöner Ort zu sterben
Vergangenheit auszublenden.« Der Krämer öffnete die Haustür und ließ frische Luft herein. »Kommen Sie morgen in den Laden, dann sehe ich mir Ihre Verletzungen an und gebe Ihnen die Keksdose von meiner Frau. Offenbar ist sie nicht rechtzeitig fertig geworden.«
Als Emmanuel hinaustrat in die schläfrige Umarmung von Jacob’s Rest, hörte er aus dem hinteren Teil des Hauses ein leises Schluchzen.
»Danke«, sagte er und humpelte zum Eingangstor. Während er sich auf den Kaffernpfad begab, kam ihm in den Sinn, dass der deutsche Flüchtling und seine Frau vor der Vergangenheit fortgelaufen waren und dann hatten feststellen müssen, dass sie sie in die entlegendste Ecke Südafrikas mitgenommen hatten.
Zweigman sah den verletzten Detective in der Nacht verschwinden, dann ging er in die Küche im hinteren Teil des kleinen Backsteinhauses. Am Tisch stand seine Frau, die Dose mit den Butterkeksen fest an die Brust gedrückt.
»Dieser Mann … wird er uns alles wegnehmen, was uns lieb und teuer ist?«
»Nein, Liebchen.« Zweigman versuchte, seiner Frau die mit Rosenmuster geschmückte Dose zu entwinden, konnte aber ihren verzweifelten Griff nicht lösen. Er streichelte ihre Wange. »Ich verspreche dir, dass uns so etwas nie wieder passiert.«
Emmanuel war schon auf halbem Wege zum Protea Guesthouse und gerade direkt hinter Kloppers’ Schuhgeschäft, als er den Gesang hörte. Die eigentlich bekannte Melodie war kaum wiederzuerkennen, weil die schrille Stimme nach jedem fünften Wort abbrach und von neuem begann wie eine zerkratzte Schallplatte. Emmanuel beschleunigte seine Schritte, bis er direkt hinter dem betrunkenen Singvogel stand.
»Hansie«, begrüßte er die torkelnde Gestalt. »Was machen Sie hier draußen?«
»Wiggeehs, Serge!« Der halbwüchsige Polizist reckte triumphierend zwei Flaschen Whisky hoch. »Gucken Sie mal! Louis hat gemeint, der gibt mir keinen, hat er aber doch, als er die Uniform gesehen hat. Meine Uniform.«
»Tiny hat Ihnen die Flaschen gegeben?« Emmanuel sah, dass die erste schon halb leer war. Hansie ließ nichts anbrennen.
»Louis gibt er keinen. Mir aber schon, wegen der Uniform.«
»Wo wollen Sie mit den Flaschen hin, Hansie?«
»Louis hat mit mir gewettet, dass ich keinen kriege. Hab ich aber doch.« Hansie schlug sich gegen die eigene Brust. »Weil ich das Gesetz bin und die Leute das Gesetz respektieren.«
»Gehen Sie jetzt wieder zu Louis nach Hause?«
»In den Schuppen.« Der Junge äugte in den dunklen Busch hinein und drehte sich dann unsicher im Kreis. »Louis hat gesagt, geh über den Kaffernpfad, aber ich weiß nicht … wo … wo lang es zurückgeht.«
Emmanuel legte Hansie den Arm auf die Schulter. Er wollte wissen, wie der Löwe Gottes seinen Freund hatte überreden können, einem farbigen Händler Schnaps abzuschwatzen.
»Ich zeige Ihnen den Weg«, sagte er und drehte Hansie in Richtung der nicht-weißen Häuser, damit er mehr Zeit hatte, ihm auf den Zahn zu fühlen. »Warum hat Louis die Flaschen nicht selbst geholt? Der kennt sich auf dem Kaffernpfad doch besser aus als Sie, oder?«
»Hier.« Hansie hob die Flaschen hoch. »Ich hab sie gekriegt. Ich.«
»Gut gemacht.« Emmanuel versuchte eine andere Taktik. »Besorgt normalerweise Louis die Flaschen?«
»Ja. Aber diesmal hat er mich geschickt.«
»Warum denn?« Emmanuel juckte es in den Fingern, dem schwachköpfigen Constable ein wenig Vernunft einzuprügeln.
»Er ist zu Tiny gegangen, aber der hat gesagt, nix da, keine Chance.«
»Warum?« Emmanuel versuchte es mit einfachen Fragen.
»Der Captain hatte mitgekriegt, dass er säuft. Er hat Louis weggeschickt, auf eine Farm in den Drachenbergen. Ganz weit weg, oben in den Bergen.«
Hansie stieß einen kapitalen Rülpser aus, der aus dem Busch widerhallte. Weiter vorn schien in der Dunkelheit in dem Arbeitsschuppen des Captains ein Licht.
»Da ist der Schuppen. Gehen Sie, aber erzählen Sie niemandem, dass Sie mich gesehen haben, verstanden?«
»Ja.« Der betrunkene Afrikaander torkelte los. Er konnte es kaum erwarten, seine Beute zu präsentieren.
Emmanuel drehte Hansie um die eigene Achse und blickte ihn so scharf an wie ein Lehrer, kurz bevor er seinem Schüler ordentlich den Hintern versohlt.
»Vergessen Sie, dass Sie mich gesehen haben. Das ist ein Befehl, Hepple.«
»Jawohl, Detective Sergeant. Jawohl, Sir.«
Emmanuel drehte Hansie wieder in die Richtung, in der der Schuppen lag, und schob ihn sanft auf das Licht zu. Der angetrunkene
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