Ein schöner Ort zu sterben
dass da plötzlich irgendein Mann aufgetaucht sein sollte, traute er nicht. War es nicht ein bisschen zu unwahrscheinlich und allzu praktisch, wenn irgendein Phantom von Afrikaander vom Himmel fiel und Davida von jeder Beteiligung an der Ermordung des Captains reinwusch?
»Kannten Sie den Mann, Davida?«
»Nein.«
»War es vielleicht ein Farbiger? Jemand aus der Stadt?«
Endlich sah sie auf. Sie spürte, dass die Stimmung umschlug. Ihre Augen hatten die Farbe von Regenwolken.
»Es war ein Weißer«, beharrte sie. »Er sprach mit mir, als sei ich eine Hündin. Wie jemand, dem es Spaß macht, andere herumzukommandieren.«
»Kannten Sie den Mann, Davida?« Er wiederholte die Frage einfach und wartete ab, wie sie reagieren würde.
»Nein! Das habe ich Ihnen doch schon gesagt!«, kreischte sie wütend. »Ich weiß nicht, wer er war.«
Emmanuel beobachtete ihr Gesicht. Jetzt, wo sie ihre Novizinnenpose aufgegeben hatte und er sie klar und deutlich sehen konnte, bemerkte er erst, wie ausnehmend schön sie war. »Er hat Ihnen doch einen Gefallen getan, oder? Dieser Mann, meine ich. Nie mehr für illegale Fotos posieren müssen. Nie mehr die Röcke heben müssen, wann immer Pretorius vorbeikam.«
»Das stimmt nicht. Ich wollte dem Captain nichts Böses.«
»Warum eigentlich nicht?«, erwiderte Emmanuel. »Dass er mit Ihnen schlief, war gegen das Gesetz. Dass er pornografische Bilder gemacht hat, war ebenfalls gegen das Gesetz. Trotzdem hat er Sie gezwungen, beides zu tun. Das stimmt doch, oder? Zu einem holländischen Police Captain konnte man ja nicht einfach nein sagen.«
»Das ist wahr.« Die Regenwolken brachen auf, und Davida wischte sich schnell die Tränen ab. Vor einem Engländer einen toten Holländer zu beweinen – konnte eine Farbige sich überhaupt noch lächerlicher machen?
»Sie empfanden also etwas für ihn«, sagte Emmanuel. Er hatte das Foto gesehen, dass sie von Pretorius gemacht hatte. Davida und der Captain hatten mehr geteilt als nur gegenseitige körperliche Befriedigung.
»Ich habe ihn nicht geliebt.« Sie war wütend wegen der Tränen und der Unbarmherzigkeit, mit der der Detective ihr Ringen um Fassung beobachtete. »Aber gehasst habe ich ihn auch nicht. Er hat mir nie etwas Böses angetan. Das ist die Wahrheit.«
»Man kann Menschen sehr viel Böses antun, auch wenn man nicht die Hand gegen sie erhebt.« Schlagartig wurde Emmanuel von seiner eigenen Wut überrollt, und ein wenig davon ließ er heraus. »Was glauben Sie, was passiert, wenn Sie vor Gericht aussagen müssen und auch noch der Letzte in Südafrika von den Fotos hört und erfährt, dass Sie die Skelmpie eines weißen Polizisten waren? Wird sich das gut anfühlen, oder wird es wehtun? Aber egal, Sie können sich ja immer daran erinnern, wie rücksichtsvoll Willem Pretorius war, als er ihnen die Zukunft verbaut hat.«
»Sie sind grausam«, sagte Davida.
Emmanuel rief sich zur Räson. Er war zu weit gegangen.
»Tut mir leid«, sagte er. »Kommen wir wieder zum Flussufer zurück. Gibt es noch irgendetwas anderes, was Sie mir über den Mann sagen können, der Captain Pretorius erschossen hat. Selbst die geringste Information könnte helfen.«
Sie brauchte eine Weile, bis sie sich von der grauenerregenden Vorstellung des Gerichtssaals und der öffentlichen Erniedrigung in einem Mordprozess erholt hatte. Die Anwälte würden sie verhören, und dann würde sie ihnen alles vom Flussufer erzählen müssen und dass der Captain im Moment seines Todes in ihr gewesen war. Tottie würde sich kaputtlachen.
»Er war leise«, sagte sie. »Wie eine Katze. Ich wusste nicht, dass er da war, bis er plötzlich direkt hinter mir stand.«
»Sie hatten Angst und haben geweint«, erinnerte Emmanuel sie. »Da wäre es schwer gewesen, jemanden zu hören.«
»Ich weiß, aber … es war so wie damals, als dieser Spanner mich angegriffen hat. Da wusste ich auch nicht, dass er da war, bis er mich ansprang. Diesmal war es genauso.«
»War der Akzent des Mörders derselbe wie der des Mannes, der Sie angegriffen hat?«, fragte Emmanuel. Egal, wie die Antwort ausfiel, die sexuelle Belästigung blieb ja stets gegenwärtig, wie ein Schatten.
»Sie haben sich beide seltsam angehört.« Davida sah ihn an. Ihr war plötzlich etwas aufgefallen. »Wie jemand, der seine Stimme verstellt.«
Falls sie tatsächlich über den Mann am Fluss log, dann konnte Emmanuel sich immerhin nicht über ihr Schauspieltalent beklagen. Sie machte ein vollkommen erstauntes
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