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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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an diesem Abend erwischte?«
    »Er sagte, er wüsste, dass sich draußen im Busch einer herumtreibe und dass er ihn schnappen werde.«
    »Wann hat er Ihnen zum ersten Mal erzählt, dass man ihm nachspionierte?«
    »Drei oder vier Wochen, bevor er starb.«
    »Und er dachte, dass Donny dieser Mann war?«
    »Ja. Das hat mir der Captain gesagt.«
    Was um Himmels willen hatte Willem Pretorius zu dem Glauben verführt, ausgerechnet Donny Rooke wäre zu einer Beschattung fähig? Der heimliche Beobachter, den Emmanuel selbst gespürt hatte, war immer noch da draußen in der Dunkelheit. Nie und nimmer handelte es sich dabei um Donny.
    »Was ist dann passiert?« Alles, was Davida bislang erzählt hatte, glaubte Emmanuel ihr. Er fragte sich, wann sie ins Schleudern geraten und versuchen würde, eine Lücke in ihrer Geschichte zu übertünchen. Jeder hatte etwas zu verbergen.
    »Wir sind zum Polizeitransporter gegangen, und ich habe mich hinten unter eine Decke gelegt. Dann sind wir zur Farm des alten Voster gefahren. Der Captain ist ausgestiegen und hat nachgeschaut, ob die Luft rein war. Er blieb lange fort und … « Davida holte tief Luft. »Ich habe Angst bekommen, aber dann kam er und sagte, alles sei in Ordnung, also sind wir runter zum Fluss gegangen.«
    Sie unterbrach sich. Emmanuel bemerkte, dass sie jetzt heftiger atmete, ihre Brust hob und senkte sich in unregelmäßigen Intervallen. So hatte er sie auch in der Steinhütte erlebt: in Todesangst.
    »Sprechen Sie weiter.«
    »Der Captain hat die Decke ausgebreitet, und dann … na ja, dann ist es passiert. Es hat zweimal geknallt, und er ist einfach so umgekippt.«
    »Captain Pretorius stand also neben der Decke und Sie saßen?«, fragte Emmanuel. Er spürte, dass sie etwas ausließ.
    »Wir waren beide auf der Decke.« Davida wandte sich wieder um und sah aus dem Fenster wie eine Gefangene, die hinter dem Gitter einem Schwarm Vögeln am Himmel nachschaute. »Wir waren gerade … er war gerade … Sie wissen schon …«
    »Davida, drehen Sie sich um und schauen Sie mich an«, sagte Emmanuel. »Erzählen Sie mir genau, was auf der Decke passiert ist. Lassen Sie nichts aus! Ich werde weder wütend noch schockiert sein.«
    Sie wandte sich ihm wieder zu, hielt aber ihren Blick starr auf den mittleren Knopf seines Jacketts gerichtet. Nach all den Sachen, die sie auf den Fotos gemacht hatte, war es verblüffend zu sehen, wie jetzt die Röte über ihren Hals kroch und ihre Haut noch dunkler färbte.
    »Der Captain hat mich von hinten genommen.« Ihre Stimme war nur ein belegtes Flüstern. »Er war gerade fertig und knöpfte sich die Hose zu, als ich es zweimal knallen hörte. Ich wusste nicht, was es war. Dann fiel der Captain auch schon auf mich, und ich konnte mich nicht mehr bewegen. Er lag ja auf mir. Ich versuchte hervorzukriechen, aber er lag auf mir drauf.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Mein Herz klopfte so laut, dass es mir in den Ohren klingelte. Geweint habe ich auch. Und versucht, mich unter dem Captain herauszuwinden. Deshalb habe ich ihn auch nicht gehört, bis er direkt hinter mir stand.«
    »Wen?«
    »Den Mann.«
    »Was für einen Mann?«
    »Den Mann mit dem Gewehr. Er trat gegen mein Bein und sagte: ›Lauf weg. Wenn du dich umdrehst, erschieße ich dich.‹ Da bin ich unter dem Captain hervorgekrochen und weggerannt. Auf dem Kaffernpfad bin ich hingeschlagen, und meine Kette ist gerissen, aber ich hielt mich nicht damit auf, sie zu suchen. Ich bin aufgestanden und gerannt, bis ich zu Hause war.«
    »Welche Sprache hat dieser Mann gesprochen?«
    »Englisch. Mit einem Akzent.«
    »Erzählen Sie mir mehr von diesem Mann. Haben Sie irgendetwas von ihm gesehen?«
    »Ich habe ja in die andere Richtung geschaut, und der Captain war hinter mir. Ich habe den Mann nicht gesehen. Nur gehört, dass er sagte, ich solle weglaufen.«
    »Wofür würden Sie ihn seiner Stimme nach halten?«, fragte Emmanuel. »Für einen Weißen, einen Farbigen, einen Schwarzen oder einen Inder?«
    »Für einen Holländer«, antwortete sie ohne Umschweife. »Einen echten Afrikaander.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wegen seiner Stimme. Wie ein Bure, der gewohnt ist zu kommandieren.«
    Diese Beschreibung passte auf neunzig Prozent der Männer, die auf der Beerdigung von Captain Pretorius gewesen waren. Genauso gut hätte man nach einem Mann suchen können, der Khakihosen oder einen Overall trug.
    Emmanuel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Davida scharf. Der Geschichte,

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