Ein schöner Ort zu sterben
noch darum, wann und wie schwer es ihn erwischen würde.
Der Schuppen leerte sich. Emmanuel sah hinaus auf das weite Buschland, das sich bis zum Horizont erstreckte. Wie sollte er nur in diesem riesigen Gebiet einen einzelnen Jungen finden?
Einen solchen Vogelschrei hatte Emmanuel noch nie gehört. Zuerst mehrere Pfiffe, dann ein Krähen. Als er aus dem Schuppen und auf den Kaffernpfad trat, wiederholte der Vogel seinen Schrei, und zwar so laut und beharrlich, dass es Emmanuel wiederum auffiel. Im nächsten Moment bewegte sich etwas im dichten Gebüsch. Wie ein Geist trat Shabalala aus dem Unterholz. Der Zulu-Constable richtete sich zu seiner vollen Größe auf und winkte ihn so nachdrücklich herbei, als wolle er sagen: Rennen Sie, so schnell Sie können!
Emmanuel gehorchte. Kaum war er aufs freie Feld geprescht, hörte er hinter sich aus dem Schuppen des Captains auch schon Männerstimmen. Als er das Gebüsch erreichte, packte Shabalala ihn und riss ihn zu Boden.
Emmanuel schmeckte Erde im Mund und fühlte, wie ein Schmerz seine Schulter durchzuckte, doch die mächtigen Hände des Zulu hielten ihn niedergedrückt.
»Schhh.« Shabalala legte einen Finger an den Mund und zeigte in Richtung Schuppen.
Emmanuel hob den Kopf und spähte durch die schmale Lücke, wo Shabalala das Gestrüpp beiseitegeschoben hatte. Die Pretorius-Brüder suchten in dem leeren Schuppen nach dem englischen Detective, der sich an ihren kleinen Bruder herangemacht hatte. Henrick und Paul waren mit ihren geschulterten Gewehren als Erste auf dem Kaffernpfad – der Inbegriff martialischer Stärke.
»Scheiße!« Paul spuckte Gift und Galle, er schien vor Wut förmlich zu platzen.
»Weit kann er nicht sein.« Henrick war besonnener. »Du und Johannes, ihr lauft rüber zum Krankenhaus und den Häusern der Farbigen. Erich und ich suchen in dieser Richtung an den Geschäften entlang. Wir treffen uns hinter Kloppers.«
»Und wenn er gar nicht auf dem Kaffernpfad ist? Wenn er in den Busch gelaufen ist?«
»Engländer aus der Großstadt laufen nicht in den Busch.« Henrick winkte ab. »Er ist garantiert in der Stadt und versteckt sich irgendwo wie eine Ratte.«
Johannes, der stille Fußsoldat im Pretorius-Corps, kam mit tief in den Hosen vergrabenen Händen und gerunzelter Stirn aus dem Schuppen. »Das Motorrad ist weg, aber ich verstehe nicht, wieso. Louis wartet doch immer noch auf dieses Teil aus Jo’burg.«
»Nach dem Scheiß-Motorrad suchen wir nicht.« Paul ließ seinen Zorn an seinem Bruder aus. »Wir versuchen, diesen Detective zu finden.«
»Na, im Schuppen ist er jedenfalls nicht.« Erich gesellte sich zu dem muskelbepackten Trio. »Er muss uns kommen gehört haben und in den Busch verduftet sein.«
»Wenn er da draußen ist, überlebt er nicht lange«, sagte Henrick. »Zuerst suchen wir auf dem Kaffernpfad und danach im Protea Guesthouse. Wenn wir ihn da nicht finden, müssen wir uns hinsetzen und überlegen, in welchen Häusern wir suchen sollen.«
Die Brüder trennten sich und zogen in entgegengesetzten Richtungen auf dem Kaffernpfad davon. Nur Johannes schien sich nicht ganz sicher zu sein, was die ganze Sache sollte. Er warf noch einen letzten ratlosen Blick auf den leeren Schuppen, dann lief er los und folgte Paul zum Mercy of God- Krankenhaus.
Emmanuel setzte sich auf die Fersen und beobachtete, wie seine Jäger die Stadt durchkämmten. Die Pretorius-Brüder hatten das Gesetz in die eigenen Hände genommen, und keiner konnte sie aufhalten.
»Wie soll ich gleichzeitig Louis finden und seinen Brüdern aus dem Weg gehen?« fragte er sich laut. Die Stadt war zu klein, als dass er dem Pretorius-Clan hätte entkommen können. Und um in dem weitläufigen Buschland den Jungen zu finden, hätte man wahrscheinlich eine ganze Armee von Suchtrupps benötigt.
»Wir werden ihn finden«, sagte Shabalala.
Emmanuel sah den Zulu-Polizisten an. Er musste Shabalala darüber aufklären, in welche Untiefen er sich gerade begab. »Louis hat seinen Brüdern erzählt, ich hätte mich an ihn herangemacht. Das stimmt zwar nicht, aber seine Brüder glauben es, und wenn Sie zusammen mit mir geschnappt werden, lassen sie ihre Wut auch an Ihnen aus.«
»Schauen Sie.« Anstatt der Warnung irgendeine Beachtung zu schenken, zeigte der Schwarze stattdessen auf eine flache Senke im Gelände, die sich im dichten Unterholz verbarg. In der Mulde lag ein in Ölplane gewickelter Kanister. Er hob den Fund auf und reichte ihn Emmanuel. Der wickelte den
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