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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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auf den Tisch gelegt, bevor wir ihn überhaupt verhört haben? Damit hat er doch praktisch zugegeben, dass er etwas mit der sexuellen Belästigung zu tun hat. Und wegen Davida möglicherweise sogar mit dem Tod seines Vaters.«
    »Wir müssen Mathandunina finden«, erwiderte Shabalala in entwaffnender Einfachheit. »Dann wissen wir es.«
    Aber Louis zu finden war eine schier unlösbare Herausforderung. Dafür brauchte man Leute und Zeit, genau die beiden Dinge, die Emmanuel so bald kaum zur Verfügung standen.
    »In welche Richtung ist er gefahren?«, fragte er und stellte sich im Geiste das riesige Buschland vor, das Jacob’s Rest zu allen Seiten umgab und sich bis zur Grenze nach Mosambik erstreckte. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem blutgetränkten Garten zu. Es half ja nichts, nur daran zu denken, wie unmöglich seine Aufgabe war. Er musste mit dem zurechtkommen, was er hatte: einen Zulu-Shangani, der Fährten lesen konnte, und einen rätselhaften deutschen Juden. Ich hätte es auch schlimmer treffen können, dachte er. Ich hätte auch niemand außer Constable Hansie Hepple haben können.
    »Er ist in Richtung der Location gefahren. Das ist auch die Richtung zu Nkosana Kings Land und der Farm von Johannes, des vierten Sohnes.«
    »Wo würde ein weißer Junge mit einem braunen Mädchen, das er gegen ihren Willen festhält, auf einem Motorrad hinfahren?« Das Ganze konnte doch nur in einer Katastrophe enden. Begriff Louis das denn nicht?
    »Jedenfalls nicht zur Location.«
    »Und auch nicht zur Farm seines Bruders. Wo auch immer Louis hinfährt, wird er eine Menge Aufmerksamkeit erregen. Ich glaube, er braucht ein gutes Versteck, bis er …«
    »… mit ihr fertig ist«, beendete Zweigman aus dem Halbdunkel im Flur den Satz. Auf seinem Krämerhemd und den Hosen waren Blutflecken von der Operation. »Das war doch Ihr Gedanke, nicht wahr, Captain?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll. Was mich betrifft, ergibt diese ganze Entführung überhaupt keinen Sinn.«
    »Für Louis Pretorius ergibt sie vielleicht durchaus Sinn.« Zweigman griff in seine Hosentasche, holte einen Zettel hervor und reichte ihn Emmanuel. »Ihr Major hat gesagt, ich soll Ihnen das so schnell wie möglich geben.«
    Emmanuel faltete das linierte Blatt auseinander und las, was dort stand. Weit oben in den Drachenbergen gab es eine Farm, eine Art Erholungsort mit dem Namen Suiver Sprong oder »Heiße Quellen«. Dorthin schickten wohlhabende Vollblut-Afrikaander mit guten Verbindungen zur neuen herrschenden Partei ihre Sprösslinge, um sie wieder auf den Herrn »auszurichten«. Drogen, Schock- und Wassertherapie waren nur einige der Methoden, mit denen der Allmächtige den armen Seelen diese »Ausrichtung« angedeihen ließ. Leiter der Einrichtung war ein gewisser Dr. Hand de Klerk, der vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unter Klaus Günther studiert hatte, einem Pionier der Rassenhygiene.
    »Eine religiös geführte Klapsmühle. Weiß van Niekerk das ganz genau?«
    »Ihr Major machte den Eindruck, dass er eine Menge Dinge ganz genau weiß. Er ist sich sicher, dass dieser Ort in den Drachenbergen die einzige Institution ist, die eine Familie vom Schlage Pretorius für die Behandlung einer psychischen Erkrankung wählen würde.«
    Emmanuel faltete den Zettel zusammen und steckte ihn ein. Die Familie hätte sich ihre Ausgaben erstatten lassen sollen. Egal, was für einer Therapie man Louis unterzogen hatte, gefruchtet hatte sie jedenfalls nicht. Nach nur wenigen Wochen in Jacob’s Rest war der Junge wieder in seine alten Gewohnheiten verfallen, und zwar schlimmer als zuvor.
    Emmanuel dachte noch einmal darüber nach, wie es Schritt für Schritt zu der Entführung und der Körperverletzung gekommen war. Louis war beileibe nicht so kopflos, als dass er nicht begriffen hätte, dass Davida die Einzige war, die ihn mit dem sexuellen Übergriff und dem Mord an seinem Vater in Verbindung bringen konnte. Wenn Davida beseitigt war, stand seiner Freiheit nur noch das Wort eines englischen Detectives im Weg. Und den hatte er des Versuchs bezichtigt, ihn sexuell zu verführen. Ein cleverer und perfekt ausgeführter Plan. Bis jetzt.
    »Vielleicht ist die Entführung gar nicht so irrational, wie es den Anschein hat.« Emmanuel rief sich noch einmal in Erinnerung, was im Bericht über die sexuellen Belästigungen gestanden hatte. Beim Lesen war er das Gefühl nicht losgeworden, dass der Täter auf einen gewalttätigen Höhepunkt seines

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