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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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irgendeiner kleinen Ordnungswidrigkeit die Hölle heiß zu machen? Jedes Jahr erfand die National Party ein Dutzend neue Gesetzesübertretungen. Zweigman war sicher nicht der Erste, der erwischt worden war.
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, dann schreibe ich den Totenschein aus und mache mich wieder auf den Weg.« Die Arzttasche schnappte zu. »Nehmen Sie es nicht persönlich, Detective, aber ich hoffe, Sie nicht wiederzusehen.«
    »Fällt Ihnen jemand ein, der das hier getan haben könnte?«, fragte Emmanuel, während er dem Arzt die Tür des Leichenschauhauses aufhielt.
    »Ich bin der alte Jude. Ich verkaufe Trockengut an Eingeborene und Farbige. Kein Mensch vertraut mir seine Geheimnisse an, Detective.«
    »Dann vielleicht eine schlaue Vermutung?«
    »Soweit ich weiß, hatte er keine Feinde. Falls der Mörder oder die Mörderin aus dieser Stadt stammt, dann haben er oder sie ihre Abneigung gut verborgen.«
    Emmanuel sah Zweigman in die Augen, und der erwiderte seinen Blick ruhig und ausdauernd.
    »Sie glauben also, es war ein vorsätzlicher Mord aus persönlichen Motiven?«
    Zweigman hob eine Augenbraue. »Das kann ich nicht sagen, denn in etwaige Überlegungen, die zum unglückseligen Ableben des Captains führten, hat mich niemand eingeweiht. Wäre das alles, Detective?«
    »Fürs erste ja.«
    In diesem frühen Ermittlungsstadium gab es noch nicht viele gesicherte Erkenntnisse, aber eines wusste Emmanuel jetzt schon ganz genau: Den alten Juden würde er wiedersehen, und nicht etwa, um Linsen einzukaufen.
    »Constable Hepple«, rief er nach draußen.
    Der halbwüchsige Polizist kam hereingestolpert.
    »Holen Sie die Pretorius-Brüder! Sagen Sie ihnen, ihr Vater kann jetzt nach Hause.«

3
    Emmanuel betrat die Polizeistation von Jacob’s Rest. Der vordere Teil der Wache bestand aus einem einzigen großen Raum mit zwei Schreibtischen, fünf Stühlen und einem Aktenschrank aus Stahl an der Wand. Die grauen Rillen im glänzenden Betonfußboden wiesen die Wege, die jeder der Polizisten Tag für Tag von der Tür bis zum Schreibtisch und von dort bis zum Aktenschrank nahm. Eine Seitentür führte zu den Zellen, eine zweite in ein weiteres Büro. Shabalala war nirgends zu entdecken.
    Emmanuel betrat das hintere Büro. Der Schreibtisch von Captain Pretorius war größer und aufgeräumter als die anderen, und auf einer Ecke stand ein schwarzes Telefon. Emmanuel nahm den Hörer ab und wählte die Nummer des Bezirksdezernats.
    »Glückwunsch!«, meldete sich endlich knisternd Major van Niekerks kultivierte Stimme, nachdem die Zentrale dreimal versucht hatte, sie zu verbinden.
    »Wofür denn, Sir?«
    »Dafür, dass Sie das Land geeint haben. Sobald die Geschichte bekannt wird, haben die Eingeborenen, die Engländer und die Afrikaander endlich einmal was, worauf sich alle einigen können: nämlich, dass die Kriminalpolizei unterbesetzt und schlecht informiert ist und nicht gegen das Verbrechen ankommt. Ein einziger Detective soll den Mord an einem weißen Polizeibeamten aufklären. Die Zeitungen werden ein Extrablatt drucken müssen.«
    Emmanuel schrak hoch. Wie war Major van Niekerk ihm so schnell auf die Schliche gekommen? »Sie wissen von dem Fall, Sir?«
    »Gerade eben haben mich die Jungs von der National Party angerufen.« Die Bemerkung kam mit solcher Beiläufigkeit, dass die nur gespielt sein konnte. »Immerhin waren es die Leute von der Security Branch. Sie glauben, der Mord an Pretorius könnte politisch motiviert gewesen sein.«
    »Die Security Branch?« Emmanuel zuckte zusammen. »Wie hat die denn so schnell Wind von der Sache bekommen?«
    »Von mir hat sie es nicht erfahren, Cooper. Das muss denen einer da drüben bei Ihnen gesteckt haben.«
    Ausgeschlossen, dass Hansie Hepple oder Shabalala solche Schwergewichte an die Strippe bekamen. Die Security Branch war nicht irgendeine Regionalbehörde, die sich um Niederschläge und Ernteerträge kümmerte. Das waren Leute, die für die nationale Sicherheit zuständig waren und buchstäblich jedem den Boden unter den Füßen wegziehen konnten, einschließlich Major van Niekerk und der gesamten Kriminalpolizei. Verfügten die Pretorius-Brüder etwa über so gute Verbindungen?
    »Was soll das heißen – politisch?«, fragte Emmanuel.
    »Seit diesen Aufrufen zum zivilen Ungehorsam sind die vollkommen aus dem Häuschen. Sie glauben, der Mord könnte der Anfang einer von Kommunisten unterwanderten Eingeborenenrevolte sein.«
    »Wie sind sie denn darauf gekommen?«

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