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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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in den Händen einer Schwarzen.
    »Nicht doch!« Keuchend sprang Hansie vor. »Das wäre dem Captain nicht recht gewesen!«
    »Was wäre ihm nicht recht gewesen, Hepple?«, fragte Emmanuel.
    »Dass eine Kaffernfrau ihn da unten anfasst. Gegen so Sachen hatte er was.«
    Eine hässliche Stille trat ein, auf der ein Schatten der jüngsten Geschichte lastete. Das Gesetz gegen Unsittlichkeit, das sexuelle Kontakte zwischen Weißen und Nichtweißen verbot, war mittlerweile in Kraft. Wer es übertrat, musste mit öffentlicher Demütigung und Gefängnis rechnen.
    »Gehen Sie raus und schnappen Sie ein wenig Luft!«, befahl Emmanuel. »Ich rufe Sie rein, wenn ich Sie brauche.«
    »Bitte, Sergeant. Ich will doch nur helfen.«
    »Sie haben schon genug geholfen. Jetzt sollten Sie mal Pause machen. Gehen Sie raus und schnappen Sie Luft!«
    »Na gut.« Mit hängenden Schultern schlurfte Hansie auf den Ausgang zu. Bestimmt dauerte es eine Weile, ehe das Bild des nackten Captains, der von einer Schwarzen befingert worden war, ihn nicht mehr heimsuchen würde.
    Emmanuel wartete, bis die Tür wieder zu war, dann sprach er Schwester Angelina und Zweigman an, die beide beim Zornesausbruch des jungen Polizisten zurückgetreten waren. Ein Weißer mit Uniform und Marke hatte zweifellos mehr zu sagen als ein ausländischer Jude und eine schwarze Nonne, auch wenn er noch grün hinter den Ohren war.
    »Machen Sie weiter«, sagte Emmanuel und versuchte die peinliche Situation zu überspielen. Die Stimmen der Afrikaander hatten die National Party zur Regierungspartei gemacht. Die Rassentrennung hatten sie Leuten wie Captain Pretorius und seinen Söhnen zu verdanken. Ein Detective musste sich nicht an die neuen Gesetze halten. Mord hatte keine Hautfarbe.
    »So geht es auch«, sagte Zweigman und brummelte den Schwestern eine Anweisung zu. Sie entfalteten ein weißes Laken und hielten es vor den Leichnam des Captains, so dass er allen Blicken entzogen war. Zweigman griff nach dem Fieberthermometer, zögerte dann und warf Shabalala einen besorgten Blick zu.
    Emmanuel wandte sich an den Zulu-Constable: »Sie können jetzt gehen, wenn Sie wollen.«
    »Nein.« Shabalala zeigte keinerlei Regung. »Ich bleibe hier bei ihm.«
    Zweigman nickte und fuhr dann mit seiner grausigen Arbeit fort, dem Toten seine Geheimnisse zu entreißen. Er las die Temperatur auf dem Thermometer ab, inspizierte noch einmal den milchigen Film, der sich auf die Pupillen des Captains gelegt hatte, und untersuchte den Leichnam dann ein zweites Mal.
    »Die Todesursache war ein durch Gewehrkugeln verursachtes Schädel- und Wirbelsäulentrauma. Ein solches Trauma ist so charakteristisch und schwer, dass das Opfer meiner Meinung nach höchstwahrscheinlich schon tot war, bevor es im Wasser lag. Um ganz sicherzugehen, müsste ich mir die Lungen ansehen, aber ich bin eigentlich auch so davon überzeugt.«
    »Woher wissen Sie, dass er im Wasser gefunden wurde?« Emmanuel war sich ganz sicher, dass er Zweigman nichts davon erzählt hatte.
    »Anhand der Rückstände auf seinen nassen Kleidern und in den Haaren. Captain Pretorius riecht nach Fluss.«
    Emmanuel schaute hinab auf seine mit Schlamm und verrotteten Blättern besudelten Schuhe. Er und Shabalala sahen aus, als hätte man sie ins Flussbett eingebaggert und dann zum Trocknen aufgehängt.
    »Der Todeszeitpunkt?«, fragte er.
    »Da der Captain kaum Körperfett besaß und das Wasser, in dem die Leiche gefunden wurde, so kalt war, lässt sich das nur schwer eingrenzen. Irgendwann gestern Abend zwischen acht Uhr und Mitternacht, würde ich schätzen.«
    Der weißhaarige Krämer reichte Schwester Bernadette das Thermometer und streifte sich die Handschuhe ab.
    Emmanuel warf einen flüchtigen Blick auf das Häuflein Uniform am Boden. Die Knöpfe glänzten noch.
    »Shabalala, ist der Captain immer in seiner Uniform zum Angeln gegangen?«
    »Manchmal, wenn es später geworden war, ist er direkt von der Wache zum Angeln gegangen. Er wollte die Madam nach dem Abendessen nicht mehr stören.«
    »Oder vielleicht«, Zweigman zog den aufgebundenen Arztkittel aus und legte ihn achtlos auf den Beistelltisch, »hat er seine Uniform einfach gern getragen.«
    Emmanuel blätterte in seinem Notizbuch zurück und machte hinter Zweigman gegen Captain einen Haken. An sich war die Bemerkung über die Uniform harmlos, aber in Zweigmans Tonfall hatte eine gewisse Schärfe gelegen. Hatte Pretorius seine Stellung ausgenutzt, um dem Ladenbesitzer wegen

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