Ein schöner Ort zu sterben
nach Südafrika eingedrungen ist, um außerhalb seines eigenen Landes Frauen anzugreifen. Unsere Grenzen legen Swasiland oder Mosambik als wahrscheinlichste Heimatländer nahe.
Da mit hoher Wahrscheinlichkeit die Übergriffe von einem Ausländer oder einem Nichtsesshaften begangen wurden, der im Grenzgebiet kampiert, bleibt eine Festnahme des Täters schwierig.
Der Fall wird neu aufgerollt, falls neue Übergriffe stattfinden sollten.
Gezeichnet
Captain Willem Pretorius
Schnelle Arbeit. Zwei Tage nach dem letzten Übergriff hatte Pretorius den Fall bereits abgeschlossen und die Akte zu Hause in seinem Privatzimmer weggepackt. Falls neue Übergriffe stattfinden sollten … Der Captain hatte also damit gerechnet, dass die Übergriffe aufhören würden, obwohl eigentlich alle Zeichen darauf hingedeutet hatten, dass der Täter in immer brutalere und zwanghaftere kriminelle Verhaltensmuster abglitt. Eine Woche, nachdem der Captain sich eingeschaltet hatte, hatten die Attacken aufgehört. Keine neuen Vorkommnisse mehr, nur wonnige ländliche Stille, wo man eine Woche zuvor noch Rippen hatte brechen hören.
Emmanuel trommelte mit den Fingern auf dem Bericht. Ein Ausländer oder ein Herumtreiber, der im Busch kampierte: Wer hätte gedacht, dass Pretorius eine so lebhafte Phantasie gehabt hatte. Einen Akzent vorzutäuschen überstieg also wohl die Fähigkeiten eines in Südafrika geborenen Mannes. Irgendetwas war an diesem dürftigen Abschlussbericht faul. Hatte der Captain den Angreifer entdeckt und die Zügel angezogen, ohne jemanden zu verhaften?
Hinten in der Akte befand sich eine Liste von Verdächtigen, die der Captain im Verlauf der Nachforschungen verhört hatte. Der Mechaniker Anton Samuel und Tinys Sohn Theo waren zweimal ergebnislos befragt worden. Am Ende der Liste stand ein gewisser Frederick de Sousa, Handelsreisender aus Mosambik, der mit einem Musterkoffer billiger Unterwäsche durch Jacob’s Rest gekommen war. An zweien der Tage, an denen es Übergriffe gegeben hatte, war er in der Stadt gewesen, andere konnten ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.
Emmanuel schrieb sich den Namen des Handelsreisenden in sein Notizbuch. De Sousa war genau der Vorwand, den er brauchte, um über die Grenze nach Mosambik zu fahren und dem auf Captain Pretorius’ Kalender angegebenen Fotoatelier einen Besuch abzustatten. Er würde sich morgens bei der Security Branch abmelden und so tun, als würde er notgedrungen nach Lorenzo Marques fahren, um seinem Sexualfall nachzugehen.
Er schob die Akten von sich weg. Für eine derart lasche Dienstauffassung, wie sie in diesen schlampigen Akten zum Vorschein kam, gab es keine Entschuldigung. Emmanuel glaubte noch an das Gesetz und seine Bedeutung für das Leben der Menschen. Er stand auf und ging ins Hinterzimmer von Poppies General Store.
»Mrs. Zweigman?« Er steckte den Kopf in den Arbeitsraum und versuchte so sanft wie möglich um ihre Aufmerksamkeit zu bitten. »Ob ich wohl kurz mit Davida und Tottie sprechen könnte? Es ist etwas Offizielles.«
»Ich bitte … zu …«, die zerbrechliche Frau stolperte über ihre eigenen Worte, »… warten.«
Lilliana Zweigman verschwand vorne im Laden und kam mit ihrem Mann zurück, dessen Hand zärtlich auf ihrem Arm ruhte.
»Ich muss mit Davida und Tottie reden«, erklärte Emmanuel, als auch schon das Summen der Nähmaschinen erstarb und erwartungsvolle Stille einsetzte.
»Ich werde Sie begleiten. Davida, Tottie, kommen Sie bitte mit. Angie, könnten Sie wohl vorne an die Theke gehen?«
»Ja, Mr. Zweigman.« Angie, die Frau des alten Soldaten, schob ihren Stuhl zurück und nahm ihren Platz im Laden ein. Die Nähmaschinen erwachten wieder zum Leben, und die beiden verbliebenen Frauen nähten weiter Ärmel an halbfertige Kleider.
Emmanuel bat die Frauen hinüber an einen Tisch im Schatten eines Baumes. Dabei achtete er darauf, der scheuen braunen Davida nicht in die Augen zu sehen. Er konnte es sich nicht leisten, sie und das, was sie über den Kalender wusste, jemandem preiszugeben. Zweigman stand am Hinterfenster des Ladens und drückte sich die Nase an der Scheibe platt. Der deutsche Arzt legte eine beinahe väterliche Fürsorge für die Damen an den Tag, die für seine Frau arbeiteten. Oder steckte dahinter noch mehr? Captain Pretorius jedenfalls hatte es vermutet.
»Setzen Sie sich«, bat Emmanuel und schob Tottie und Davida zwei leere Blätter und zwei Bleistifte über den Tisch. »Ich möchte, dass Sie einen Plan
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