Ein schöner Ort zu sterben
machte ein enttäuschtes Gesicht, weil sie das Beste verpasste.
Emmanuel wartete, bis sie wieder in die Werkstatt stolziert war, dann wandte er sich Davida zu.
»War der Angreifer so groß wie Captain Pretorius?«, fragte er noch einmal.
»Er war größer als ich, aber nicht so groß wie der Captain.«
»Woher sind Sie da so sicher?« Die Parallelen zwischen dem Captain und dem Täter waren zu auffällig, um sie einfach beiseitezuschieben. Willem Pretorius trieb sich völlig ungestraft Tag und Nacht auf den Kaffernpfaden herum und hatte die Macht, die Ermittlungen einfach abzuwürgen, wenn die Sache zu heiß wurde. Hatte er die ganze Zeit sich selbst geschützt?
»Kannten Sie den Captain gut genug, um sicher zu sein, dass er nicht derjenige war, der Sie gepackt hat?«
»Captain Pretorius war sehr groß und hatte sehr breite Schultern. Jeder in der Stadt wusste das.« Emmanuel registrierte, dass Davida die Hände vom Tisch genommen und in den Schoß gelegt hatte, wo er sie nicht sehen konnte. »Der Mann, der mich gepackt hat, war nicht so groß.«
»Glauben Sie, dass es ein Weißer war?«
»Es war dunkel. Ich habe ihn nicht gesehen. Er hatte einen seltsamen Akzent. Wie ein Weißer, der nicht aus Südafrika kommt.«
»Hätte es ein Portugiese sein können?«
»Vielleicht, ich glaube es aber nicht.«
Emmanuel warf einen Blick hinaus auf den Hinterhof und sah den alten Juden, der seine Nase so fest an die Fensterscheibe drückte, dass sie von seinem Atem ganz beschlagen war. Zweigman war also gar nicht auf Tottie scharf. Er hatte ein Auge auf die scheue braune Maus geworfen.
»Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie nicht daran gewöhnt sind, von einem meiner Art angerührt zu werden?«, fragte Emmanuel rundheraus. Vielleicht bewahrte das grauäugige Mädchen ja auch Zweigmans Geheimnisse und die von noch ein paar anderen.
Davida rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum, schlug aber die Augen nicht hoch. »Nur weil ich keinen Daddy habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mich herumtreibe.«
»Was ist mit Anton? Haben Sie sich mit dem herumgetrieben?« Emmanuel wollte wissen, ob er sich in seinem Bild täuschte, dass sie eine stille, wachsame Frau war, die lieber für sich blieb.
»Ich habe mich ein paar Mal mit Anton getroffen, aber es wurde nichts draus.«
»Haben Sie mir die ganze Wahrheit gesagt, Davida?«
»Warum sollte ich lügen?«
»Keine Ahnung.«
Er hatte ein unbändiges Verlangen, ihr den Schal vom Kopf zu ziehen und das unförmige Kittelkleid aufzuknöpfen, um nach den verborgenen Geheimnissen zu forschen, die er darunter vermutete. Davida blickte auf, und plötzlich musste er wegsehen.
»Sie können wieder an die Arbeit gehen.« Emmanuel tat so, als sortiere er seine Berichte, und sah ihr dann nach, wie sie wieder im Hinterzimmer des Ladens verschwand. Verbarg Davida etwas, oder verspürte er nur wieder das schamlose Gefühl seiner Überlegenheit, das er schon in der Hütte ihr gegenüber erlebt hatte?
Emmanuel verließ den Pfad und lief am Postamt vorbei, dann marschierte er weiter zum Hintereingang der Polizeistation. Er lehnte sich gegen einen Baum und wartete darauf, dass Shabalala auf seinem Fahrrad auftauchte. Die Dämmerung war hereingebrochen, der Kaffernpfad war voller Schwarzer, die auf ihm für die Nacht zurück zur Location geschleust wurden.
»Die haben nach Ihnen gesucht«, informierte ihn der Constable, nachdem sie sich begrüßt und ins Gras gesetzt hatten.
»Suchen sie immer noch?«
»Es gab eine Menge Telefonanrufe aus Graystown, und jetzt suchen sie nicht mehr nach Ihnen.«
»Was für Telefonanrufe?«
»Wegen einem Mann. Einem Kommunisten«, sagte Shabalala. »Mehr habe ich nicht gehört.«
»Und wieso konnten Sie das dann hören?«, fragte Emmanuel. Wie konnte ein über ein Meter neunzig großer Schwarzer mitten in die Ermittlungen der Geheimpolizei hineinplatzen, ohne aufzufallen?
»Der Tee«, sagte Shabalala ohne Umschweife. »Meine Mutter hat mir beigebracht, wie man guten Tee macht.«
»Ahhh.« Emmanuel begriff. Der unsichtbare schwarze Diener gehörte zum Alltagsleben der Weißen wie selbstverständlich dazu. Und Shabalala hatte das schamlos ausgenutzt.
Sie liefen an der Rückseite der an der van Riebeeck Street gelegenen Grundstücke vorbei und erreichten das Haus des Captains. Die Schuppentür stand offen. Bis auf den Kaffernpfad hinaus drang ein zufriedenes Summen.
Im Innern war Louis mit seinem indischen Motorrad beschäftigt, das beinahe
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