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Ein Schöner Ort Zum Sterben

Ein Schöner Ort Zum Sterben

Titel: Ein Schöner Ort Zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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der Kapelle öffnete. Vernunft wich dem Instinkt. Er wollte nur noch weglaufen. Doch seine Füße schienen wie angewurzelt, und er konnte nur mit erschrockener Faszination beobachten, wie sich die Tür weiter öffnete. Aus dem Dunkel dahinter ertönten ein schrecklich heiseres Atmen und ein schlurfendes Geräusch, als würde sich irgendetwas mühsam in Richtung der frischen Luft schleppen. Feuchte, muffige Luft drang an seine Nüstern, der Geruch nach Verwesung und alten Gräbern und dem Staub von Jahren.
    Der Friedhofsgeruch half, die Betäubung aus Barneys Füßen zu vertreiben. Am ganzen Leib zitternd und trotz der eisigen Kälte schwitzend, wandte er sich ab und floh. Die Schmerzen in der Brust kehrten zurück, während er rannte, was er seit über zwanzig Jahren nicht mehr getan hatte, doch Barney lief weiter. Er rannte den gesamten Hügel hinunter, bis zu seinem Haus, wo er außer Atem und fast besinnungslos vor Schmerz durch die Tür stolperte.
    Barney sperrte hinter sich zu. Dann eilte er durch das ganze Haus, überprüfte mit zitternden Fingern sämtliche Fenster, spähte durch staubige Scheiben nach draußen in die Nacht, meinte Dinge zu sehen und redete sich immer wieder ein, dass es nicht so war, nicht so gewesen sein konnte, und dass er sich alles nur eingebildet hatte! Nachdem er sich überzeugt hatte, dass alle Fenster und Türen verschlossen waren, ging er zum Küchenschrank und nahm eine Flasche hervor. Es war keine Nacht für Tee. Es war eine Nacht für einen guten starken Drink! KAPITEL 3 Katie Conway schob die
    Tür zum Schlafzimmer ihrer Mutter mit der Schulter auf und trug ein Frühstückstablett hinein.
    »Morgen, Mum! Wie geht es dir heute? Alles okay? Soll ich das Fenster öffnen?«
    Sie stellte das Tablett ab und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, zum Fenster, um die schweren Vorhänge beiseite zu ziehen. Eine bleiche, grelle Wintersonne durchflutete das Zimmer. Sie entblößte die dicke Staubschicht auf den viktorianischen Möbeln und den vergilbten Lack auf den Ölbildern von Kindern, deren ausgewachsene Knochen längst im Familienmausoleum am Rand des Parks vermoderten.
    Adeline Conway mühte sich in eine sitzende Haltung und brachte dabei das Kissen aus schwarzem Fell am Fußende des Bettes durcheinander: Sam der Kater setzte sich auf und gähnte, wobei er scharfe weiße Zähne und eine gerollte rosafarbene Zunge zur Schau stellte. Er streckte sich, zuerst die vordere Körperhälfte, dann die hintere, und senkte nadelspitze Krallen in die gemusterte Tagesdecke. Schließlich sprang er mit einem dumpfen Geräusch zu Boden und trottete in Richtung Küche davon.

    »Wirklich, Liebling, du weißt doch, dass ich keinen Zug vertrage!«
    »Okay.« Katie verzichtete darauf, die Fenster zu öffnen, schüttelte die Kissen im Rücken ihrer Mutter auf, stellte ihr das Tablett auf den Schoß und küsste sie schließlich auf die bleiche Wange. Die Haut fühlte sich an wie feines Papier.
    »Hast du gut geschlafen? Alles okay?«
    »Ich wünschte, du würdest nicht immer okay sagen«, entgegnete Adeline gereizt.
    »Okay, äh, ich meine, in Ordnung.«
    »Setz dich.« Adeline klopfte auf die Tagesdecke.
    »Ich möchte mit dir reden.« Gehorsam setzte Katie sich auf die Bettkante und fuhr mit der Fingerspitze über das gewebte Muster der Decke.
    »Sam richtet die schöne Decke ganz zugrunde! Können wir nicht nach dem Frühstück reden? Ich hab noch nichts gegessen, und ich muss bald weg!«
    »Du kannst meinen Toast haben. Und nein, es kann nicht bis nachher warten! Ich habe bereits zu lange gewartet. Ich habe gestern Abend nichts gesagt, als du aus diesem schrecklichen Jugendclub nach Hause gekommen bist!«
    »Er ist überhaupt nicht schrecklich! Dir hätte der Abend gestern auch Spaß gemacht! Eine Meredith Mitchell war da und hat einen Diavortrag über ihre Reisen gehalten! Sie war sehr nett, und es war großartig!«
    »Reisen, ja!« Adeline nahm das Stichwort auf, und ihre Tochter bedachte sie mit einem gehetzten Blick, während sie sich reumütig auf die Lippe biss, als wäre ihr bewusst, dass sie das falsche Stichwort gegeben hatte.
    »Wegen Paris …«
    »Wir haben das doch schon hundert Mal durchgekaut! Ich will nicht nach Paris!«, unterbrach Katie ihre Mutter.
    »Ich hab’s dir gesagt! Warum hörst du mir nicht zu? Daddy will auch nicht, dass ich nach Paris gehe!«
    »Was dein Vater will, spielt keine Rolle! Was weiß er schon darüber?« Adelines Stimme steigerte sich zum gewohnten Kreischen.

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