Ein Schöner Ort Zum Sterben
wenig, dachte Markby unbehaglich, wie die Zehen der Toten auf dem Tisch Fullers.
»Ich komme soeben aus der Pathologie. An ihrem Hals ist ein Mal, das ich nicht genau zuordnen kann, und die Haut an beiden Hacken ist abgeschürft, was darauf schließen lässt, dass der Leichnam über eine harte Fläche geschleppt worden ist, wahrscheinlich von jemandem, der die Tote an den Schultern oder den Oberarmen hinter sich hergezogen hat.«
Norris’ Augen glitzerten.
»Daraus folgt, dass der Tatort nicht gleich dem Fundort ist.«
»So gut wie sicher, ja. Als sie gefunden wurde, lagen die Schuhe achtzehn Zoll von den Füßen entfernt. Möglicherweise hat der Mörder sie neben ihr hingeworfen, weil er sie loswerden wollte und nicht wusste, wohin damit … oder er wollte die Tatsache verschleiern, dass sie die Schuhe bereits vorher nicht mehr getragen hat. Irgendwo muss sie sie verloren haben. Vielleicht im Kofferraum seines Wagens? Doch das sind selbstverständlich nur Spekulationen. Die Männer suchen gegenwärtig den gesamten Sportplatz ab, und vielleicht findet sich ein Hinweis.« Norris blickte unzufrieden drein.
»Hören Sie, Markby, wir müssen schnell Fortschritte erzielen! Ein junges Mädchen … die Leute von der Presse werden sich wie Geier darauf stürzen, und sämtliche Eltern in der Gemeinde werden es mit der Angst zu tun bekommen.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst!«, entgegnete Markby ungehalten.
»Sonst hat Fuller im Augenblick nichts zum Fall beizutragen?«
»Nicht vor der Obduktion. Oh, sie hatte kurz vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr, doch es gibt keine äußerlichen Anzeichen einer Vergewaltigung.« Markby hatte die Anwesenheit der jungen Frau vergessen, doch jetzt fiel sie ihm wieder ein – zu spät. Er musterte sie verstohlen. Sie wirkte immer noch angespannt, auch wenn sein Bericht sie anscheinend nicht aus der Fassung hatte bringen können. Sie trug einen schwarzen Rock und ein schwarz-weißgrau kariertes Jackett über einem roten Pullover mit PoloKragen. Er fragte sich, ob sie eine Zivilistin war oder vielleicht sogar die Frau von Superintendent Norris? Falls ja – kein Wunder, dass sie angespannt wirkte. Rasch fuhr Markby fort:
»Wie Sie wissen, habe ich im Augenblick keinen Assistenten, und jetzt, mit diesem Fall in den Händen, brauche ich …«
»Darum habe ich mich bereits gekümmert«, unterbrach ihn Norris. Er deutete auf die Frau neben sich.
»Das ist Detective Sergeant Helen Turner. Sie ist Ihnen vorübergehend zugeteilt, bis Sergeant Pearce wieder zurück ist.«
»Gut …« Markby wurde sich bewusst, dass seine Stimme geistesabwesend geklungen hatte. Er riss sich zusammen.
»Willkommen an Bord …« Halt, das geht auch netter!
»Ich freue mich, Sie bei uns zu haben, Sergeant Turner.«
»Danke sehr, Sir!« Alarmierend heftiger Eifer schwang in ihrer Stimme mit. Sie ist offensichtlich Norris’ Protegé!, dachte Markby. Die falschen Teeblätter, wieder einmal.
»Ich lasse Sie dann mal weitermachen, aber vergessen Sie nicht, Markby, wir brauchen Resultate! Es handelt sich um einen ganz besonders widerlichen und brutalen Übergriff auf ein junges Mädchen! Unsere Straßen müssen sicher sein für junge Menschen! Ich will, dass Sie jeden Stein umdrehen, bis Sie dieses hässliche Verbrechen aufgeklärt haben!« Die Leichtigkeit, mit der Norris jedes verfügbare Klischee aufgriff, und die napoleonische Geste seines linken Arms verrieten die Begierde, vor das Mikrofon der abschließenden Pressekonferenz zu treten, was in Markbys Augen alles andere als hilfreich war.
»Was die jungen Menschen angeht, so müssen wir vorsichtig sein, um keine potenziellen Informanten zu verschrecken«, entgegnete Markby beschwichtigend.
»Schließlich wollen wir Resultate.«
Kaum dass sie alleine waren, begann Markby seine neue Kollegin zu mustern, wobei er feststellte, dass sie dasselbe mit ihm tat. Er wandte die Augen ab.
»Ich könnte einen Kaffee vertragen, um den Geschmack vom letzten zu vertreiben, den man mir drüben im Leichenschauhaus serviert hat. Warum leisten Sie mir dabei nicht Gesellschaft? Nicht hier in der Kantine. Auf der anderen Straßenseite gibt es ein Lokal.«
»Besserer Kaffee?«, fragte sie.
»Keine Polizisten, die mir in die Tasse gucken«, antwortete er. Sie sah aus, als wollte sie lächeln. So weit kam es nicht, aber immerhin entspannten sich ihre Gesichtszüge ein wenig. Markby fragte sich, ob sie immer so angespannt war, und hoffte inbrünstig das Gegenteil. Das
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