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Ein Schöner Ort Zum Sterben

Ein Schöner Ort Zum Sterben

Titel: Ein Schöner Ort Zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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erniedrigte die tote Person zu einem Gegenstand anatomischen und pathologischen Interesses, einer bloßen Probe. Fuller war unterdessen zurückgekehrt, mit seiner Brille in der einen und einem Blatt Papier in der anderen Hand.
    »Junger weiblicher Leichnam, Alter zwischen vierzehn und sechzehn Jahren. Wahrscheinlich näher an vierzehn. Wissen Sie bereits, wer es ist?«
    »Noch nicht. Wann ist sie gestorben?«
    »Nach den äußeren Anzeichen zu urteilen, irgendwann zwischen zweiundzwanzig und ein Uhr letzte Nacht. Sagen wir zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht. Sie wissen, dass ich nichts Genaueres dazu sagen kann. Man sollte wirklich meinen«, fügte Fuller hinzu, der selbst Töchter besaß,
    »dass jemand ein Kind in diesem Alter vermisst, wenn es nachts nicht nach Hause kommt oder nicht anruft. Mir jedenfalls würde es so gehen.«
    »Sie wären überrascht, Doktor. Manche Eltern fragen ihre Kinder nie, wo sie gewesen sind.« Noch während er sprach, spürte Markby einen vertrauten dumpfen Zorn in sich aufsteigen. Das war ein Dschungel dort draußen, erkannte das denn niemals jemand? Weder die Jungen noch ihre Eltern? Wer auch immer sie gewesen war und welche Umstände auch immer zu ihrem Tod geführt hatten, sie hatte nicht den Hauch einer Chance gehabt, dieses junge Mädchen auf dem Tisch. Doch dann warf der nüchterne Menschenverstand ein, dass Bamford schließlich ein kleines Städtchen auf dem Land war, kein übervölkertes Großstadtghetto. Die meisten hier lebenden Familien besaßen noch immer einheimische Wurzeln. Warum sollten sie in dieser, ihrer vertrauten Umgebung Gefahr sehen? Warum sollten ihre Kinder nicht aufwachsen wie sie selbst, in relativer Sicherheit? Hatte sich die Stadt, hatte sich das Land so sehr verändert? Fuller war offensichtlich begierig, seine Arbeit fortzusetzen.
    »Tatsächlich? Sie werden bemerkt haben«, fuhr er fort,
    »dass die Tote einen Schlag gegen die Schläfe bekommen hat. Es war ein sehr heftiger Schlag, der die Haut platzen ließ und ein großes Loch im Schädel verursacht hat. So viel steht auch nach der vorläufigen Untersuchung bereits fest.« Er deutete leidenschaftslos mit einem Stift auf den zerschmetterten Knochen.
    »Irgendein ziemlich großes Objekt hat diese Wunde verursacht, würde ich sagen.«
    »Ja, das habe ich bemerkt!«, murmelte Markby verdrießlich.
    »Sieht ganz danach aus, als wäre übermäßige Gewalt eingesetzt worden. Die Hälfte der Kraft hätte wahrscheinlich ausgereicht, um sie umzubringen.« Er beugte sich vor.
    »Was ist das?« Fuller beugte sich über den Leichnam und setzte seine Brille auf, um die rote Linie am Hals des Mädchens zu untersuchen.
    »Es ist jedenfalls keine Ligatur, falls Sie das denken. Es ist eine Schramme, verursacht durch ein Halskettchen oder etwas in der Art.«
    »Aber wir haben nichts dergleichen an ihr oder in ihrer Kleidung gefunden.« Fuller schlug das Laken am anderen Ende zurück und entblößte die nackten Füße des Mädchens. Er hob zuerst einen davon an, sodass Markby die Ferse sehen konnte, dann den anderen. Die Haut war an beiden Hacken abgeschürft. Schweigend deckte er die Füße wieder zu.
    »O verdammt!«, entfuhr es Markby.
    »Das macht die Sache ein gutes Stück komplizierter!« Die Verletzungen legten die Vermutung nahe, dass der Körper über den Boden geschleift worden war. Und daraus folgte, dass die Tote an einer anderen Stelle umgebracht worden und erst anschließend dort versteckt worden war, wo Miss Rissington sie gefunden hatte. Eine Schande, dass sie und Tiger so viele Spuren im Gras hinterlassen und andere Hinweise dadurch zerstört hatten. Was die beiden nicht vernichtet hatten, war inzwischen sicher längst im warmen Sonnenschein geschmolzen. Gab es überhaupt noch etwas, womit die Fotografen etwas anfangen konnten?
    »Wollen wir in mein Büro gehen?«, erkundigte sich Fuller freundlich. Auch nachdem Markby eine Tasse grässlich schmeckenden Instantkaffees bekommen hatte, fühlte er sich um keinen Deut besser. Er hasste den durchdringenden süßlichen Geruch, der hier herrschte, durchmischt mit dem beißenden Gestank nach Desinfektionsmitteln und Antiseptika, hasste das Glänzen der weißen Fliesen und des sauberen Stahls, die unnatürliche Sauberkeit der Umgebung, ganz zu schweigen von der ständig lauernden Gefahr, über irgendetwas Grässliches in einem Einmachglas zu stolpern.
    »Ich denke«, fuhr Fuller feinfühlig fort,
    »dass es vorher zu sexuellen Aktivitäten gekommen ist.

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