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Ein Schöner Ort Zum Sterben

Ein Schöner Ort Zum Sterben

Titel: Ein Schöner Ort Zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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darum. Die Kultur drehte sich um Pubs. Es waren die einzigen Treffpunkte, die neutralen Boden darstellten und keine besondere Qualifikation zum Einlass erforderten. Auf dem Kontinent gab es Cafés. Hier bot die Vielzahl von Pubs und Kneipen eine tröstliche Anonymität. Genau wie die Revolverhelden des alten Wilden Westens an der Saloontür der besseren Etablissements ihre Waffen abgegeben hatten, so ließen die Menschen in den Pubs landauf, landab ihre Hemmungen und Sorgen an der Tür zurück. Sie hängten sie zusammen mit den nassen Regenmänteln an den Haken und dachten erst wieder daran, wenn sie das Pub verließen. Meredith stieg die schmale Treppe hinauf, um ein verkürztes Bad zu nehmen. Als sie in der Wanne saß, hörte sie Wasser durch die Rohre auf der anderen Seite der Trennwand laufen, in Mrs. Prides Badezimmer. Wahrscheinlich kletterte Markbys neue Assistentin, diese Sergeant Turner, gerade aus der Wanne. Meredith widerstand dem Impuls, wütend mit den Fäusten gegen die Fliesen zu hämmern. Sie war nicht sicher, warum sie beschloss, zu Fuß zum Silver Bells zu laufen. Vielleicht waren es die Erinnerung an die Fahrt im vollgestopften Zug und ein unterdrücktes Verlangen, die Glieder zu bewegen und ein wenig an die frische Luft zu kommen. Alan war bestimmt mit dem Wagen da und konnte sie nach Hause fahren. Es war erst zehn nach acht, und ihr blieben zwanzig Minuten – reichlich Zeit. Doch sie war noch nie um diese Jahreszeit und nach Einbruch der Dunkelheit durch die Stadt gelaufen, wenn die meisten Menschen im Warmen und zu Hause saßen. Falls nötig, wie beispielsweise am Abend zuvor, hatte sie stets den Wagen genommen und war sicher und behaglich zu ihrem Ziel gefahren. Nicht einmal kam ihr der Gedanke, dass der kurze Spaziergang durch die frische Luft etwas anderes als die ihr inzwischen vertrauten Wegpunkte von Bamfords malerischen, freundlichen Straßen zutage fördern könnte. Sie kannte schließlich diese Stadt! Jetzt jedoch stellte sie einigermaßen schockiert fest, dass sie Bamford überhaupt nicht kannte – oder zumindest nicht wusste, in was die kleine Stadt sich nach Einbruch der Dunkelheit für all diejenigen verwandelte, die zu Fuß unterwegs waren. Mit Einbruch der Nacht trat eine andere Welt zutage, eine Welt, in der Meredith sich als Fremde wiederfand und in der sie sich zu ihrem großen Erstaunen höchst unbehaglich und verwundbar fühlte. In der Innenstadt Londons kannte sie sich aus, dort gab es im Übermaß Leuchtreklamen, Straßenlaternen und helles Licht. Bamford bei Nacht war ein verlassenes und finsteres Kaff. Die Fenster waren mit Vorhängen oder Läden gegen neugierige Blicke von draußen gesichert, der Wind pfiff kalt um Merediths Ohren, und sie zog die Schultern hoch und eilte über nasses, gesprungenes, schlüpfriges Pflaster. Sie suchte die High Street, in der Hoffnung, dort Leben und Gesellschaft zu finden. Doch die meisten Läden waren dunkel, mit schweren eisernen Gittern verhangen. In anderen brannten schwache Notbeleuchtungen, und die Straße lag verlassen. Das Gefühl, allein zu sein, wurde noch stärker. In den einsamen und dunklen Eingängen raschelte Abfall, als Meredith vorübereilte. Das Geräusch ließ sie zusammenzucken, und sie begann sich dunkle Gestalten einzubilden, die hinter ihr her waren. Ein paar vereinzelte Fahrzeuge fuhren vorbei, die meisten davon Taxis. Busse verkehrten schon kurz nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr. Und doch gab es Menschen. Meredith war nicht allein. Aber was für Leute waren das? In dieser veränderten Welt bewegte sich eine eigenartige Bevölkerung, jung und laut, die das Stadtzentrum in kleinen Banden durchstreifte, Bierdosen durch die Gegend trat, anderen Banden etwas über die Straße hinweg zurief. Ein paar Jahre älter nur als ihr Publikum im Kirchensaal, aber ganz eindeutig wesentlich erfahrener. Woher kamen sie alle? Wohin wollten sie? Ihre verkniffenen Gesichter wirkten fahl und ungesund im fluoreszierenden Schein der Straßenlaternen und doch lebendig, mit einer schwelenden animalischen Vitalität. Sie starrten Meredith mit spöttischer Neugier an, als sie vorbeiging, bis sie sich lächerlich und fehl am Platz fühlte und wütend wurde. Unvermittelt rannte sie in zwei Jugendliche, die aus einer Seitenstraße gekommen waren. Es war alleine Merediths schlechter Stimmung zuzuschreiben, dass sie fauchte:
    »Passt doch gefälligst auf!« Wie verblüfft war sie jedoch, als sie plötzlich ihren Namen hörte.
    »Meredith?

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