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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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nicht.“
    „Natürlich nicht!“, versicherte ich ihr. „Aber wir müssen herausfinden, warum Sie so … abwesend sind in manchen Momenten.“
    Was Sie in seinen Bann zieht, wollte ich eigentlich sagen, wobei ich noch nicht mal wusste, woher dieses kam. Es war unsinnig zu denken, etwas würde sie vorsätzlich in diesen Trance-Zustand versetzen. Ryan blickte mich an, als hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen. Seine Augenbrauen zogen sich fragend zusammen, und ich schaute ertappt weg. „Keine Sorge, Milly!“, sagte ich hoffentlich überzeugend. „Es ist bestimmt nichts. Sie sind sicher nur etwas überanstrengt.“
    „Manchmal – manchmal, da sehe ich … Dinge“, sagte sie mit gedämpfter Stimme und blickte in die Runde, als hätte sie eine Obszönität von sich gegeben. „Ich weiß nicht, warum das so ist, und bis jetzt konnte ich mich auch nie daran erinnern.“
    „Bis jetzt?“, fragte Ryan. Milly nickte und brach explosionsartig in Tränen aus. Ihr Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt, und jedes tröstende Wort prallte an ihrer Verzweiflung ab.
    „Kannst du Rupert herholen?“, wandte ich mich an Finn, doch er schüttelte den Kopf. „Rupert ist mit Malcolm nach Broch Monadail gefahren. Vor dem Abendessen kommen die beiden nicht wieder.“
    Ratlos schaute ich Ryan an.
    „Hol Ailsa!“, sagte er. „Sag ihr, sie soll ein Zimmer für Milly fertig machen. Wir behalten sie im Auge.“
    Ich nickte und machte mich auf die Suche nach Ailsa, während Millys Worte mich im Geist verfolgten.
    Wir hatten Milly schließlich in eines der Gästezimmer gebracht und sie dort, unter Aufbietung unseres gesamten Repertoires an gutgemeinten Worten, einer gehörigen Standpauke von Ailsa und der Androhung von Meuterei ins Bett stecken können. Doktor Ross, ein Mann mit freundlichen Augen und einem Zwirbelbart, hatte sie untersucht und ihr ein beruhigendes Medikament verabreicht. Spät am Abend schaute ich noch einmal nach ihr. Doch sie war in guten Händen.
    Ich warf noch einen letzten Blick auf die beiden Köpfe, die sich vertraut einander zuneigten, und schloss die Tür leise hinter Milly und Rupert.
    „Du glaubst, das hat was mit dem zu tun, was hier vor sich geht, nicht wahr?“
    Langsam drehte ich mich um. Ryan stand mit verschränkten Armen am Fenster und blickte mich neugierig an.
    „Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte ich und ging an ihm vorbei.
    „Oh doch, mein kleiner verkappter Freigeist! Du weißt genau, was ich meine“, konterte er und folgte mir. „Du suchst nur gerade wieder nach einem deiner logischen Schlüsse. Hast du schon einen gefunden?“
    „Doktor Ross sagte, dass es sich um eine vorübergehende Störung des somatischen Nervensystems handeln könnte, ähnlich dem Schlafwandeln und hervorgerufen durch Stress. Du hast es selbst gehört.“
    „Und du glaubst ihm?“
    Ich drehte mich zu ihm um und zuckte mit den Schultern. „Ja! Nein. Ach, was weiß ich denn?“, rief ich und hob frustriert die Arme.
    Ryan lächelte. „Willkommen im Reich der Unwissenden.“ Er legte mir den Arm um die Schultern und schob mich sanft vorwärts. „Komm, m’eudail! Ich glaube, du könntest heute mal einen Schlaftrunk vertragen.“
    „Denkst du …“ Ich wagte es kaum laut auszusprechen. „Oder hältst du es für möglich … dass sie von irgendetwas spirituell missbraucht wird?“
    Ryan lächelte und schüttelte den Kopf. Erleichterung durchflutete mich wie kühles Quellwasser. Er hatte recht. Es wäre ja auch ein Irrsinn, dies zu glauben.
    „Nein“, sagte er beiläufig. „Ich vermute nur, sie hat das zweite Gesicht.“
    „Wie bitte?“ Ich blieb abrupt stehen.
    „Ich frage mich, ob Samuel einen Bruder hatte“, murmelte er, ohne auf meine Frage einzugehen, und ging an mir vorbei in Richtung Westflügel. „Kommst du?“
    Ich schnaubte vor Ärger, heftete mich an seine Fersen und sagte: „Du findest aber auch unter jedem Busch ein Gespenst, oder?“

Ein Schleicher in der Nacht
    Irgendetwas weckte mich. Ich trieb am Rand des Unterbewussten dahin und weigerte mich, die Herrlichkeit meines Traumes zu verlassen, kuschelte mich tiefer in die weichen Daunen meines Bettes und war schon wieder halb in Morpheus’ Armen, als dieses Geräusch erneut an mein Ohr drang. Auf einen Schlag war ich hellwach und setzte mich auf.
    Silbernes Mondlicht schien durch den Spalt der Vorhänge herein und malte ein Parallelogramm auf den Dielenboden. Ich zog die Bettdecke bis zur Nase hoch und lauschte gespannt

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