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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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geschrieben?“
    „Am 3. Juni“, erwiderte ich. „Allerdings wissen wir nicht, ob Samuel seinen Vater nicht doch noch umstimmen konnte.“
    „Ich habe einen Freund in Oxford, der arbeitet bei dieser uralten Zeitung, und die haben ein Archiv, in dem man auch was findet, wenn man etwas sucht. Ich wette mit dir, dass es in Samuels Fall nie zu einer Anklage gekommen ist, sondern dass man den Vorfall fein säuberlich unter den Teppich gekehrt hat.“
    „Was ist diesmal dein Einsatz?“
    Ryan ließ die Zeitung galant auf den Tisch segeln, erhob sich lässig und sagte: „Such dir was aus, Bergman! Ich gehe telefonieren.“
    Recherchen, Nachforschungen … Tja, wer hätte das gedacht. Ich musste zugeben, dass es sich gut anfühlte. Sogar richtig gut. Endlich hatte ich etwas gefunden, was mir anscheinend wirklich lag. Es war zwar zeitraubend, teilweise hatte ich das Gefühl, ich könnte die Tinte schon schmecken oder es wäre alles für die Katz, und zwischendurch hatte ich durchaus das Bedürfnis, alles hinzuschmeißen, aber schlussendlich hatte sich meine Beharrlichkeit doch ausgezahlt. Vielleicht hätte ich Archivarin werden sollen oder Privatdetektivin. Ich lächelte. „Wie kann ich Ihnen helfen, Mister? Oh! Sie glauben, Ihre Frau betrügt Sie? Nun, das werde ich herausfinden“, murmelte ich mit tiefer Stimme und lachte über mich selbst.
    Ich betätigte die Wasserspülung und zog mir die Hosen hoch.
    Während ich mir die Hände wusch, blickte ich in den Badezimmerspiegel. Dafür, dass ich den ganzen Tag über alten Handschriften und Zeitungen gebrütet hatte, sah ich geradezu frisch aus. Ich hatte sogar leicht gerötete Wangen. Vor lauter Euphorie zwinkerte ich mir selbst im Spiegel zu und verließ das Bad. Auf dem Korridor traf ich Milly MacDonald, die an einem Fenster stand und hinausblickte. „Hallo, Mrs. MacDonald! Falls Sie Ryan suchen, der ist … Mrs. MacDonald?“ Ich stellte mich neben sie und blickte sie von der Seite an. Sie sah zwar aus dem Fenster, aber ich war mir sehr sicher, dass sie dort nicht das Gleiche wahrnahm wie ich. Es war, als würde sie mit offenen Augen schlafwandeln – und es war das zweite Mal in meiner Gegenwart. Wer weiß, wie oft das mittlerweile tatsächlich vorkam. Ihr Blick war beängstigend leblos und entrückt.
    „Milly?“, fragte ich leise und berührte sie sanft an der Schulter. „Milly, ist alles in Ordnung? Hören Sie mich?“
    „Die Brüder sind uneins“, flüsterte sie.
    „Wie bitte?“
    „Geh nicht weiter!“
    „Milly, ich …“
    „Die Brüder sind uneins.“
    Ich hatte irgendwann einmal gelesen, dass es gefährlich sein konnte, Schlafwandler mit Gewalt ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Doch ich konnte sie unmöglich hier stehen lassen. Ich nahm sie bei der Hand und drehte sie ganz langsam zu mir. „Kommen Sie, Milly!“, flüsterte ich. „Setzen Sie sich!“ Ich führte sie an die andere Seite des Korridors, drückte sie sanft auf einen der Stühle, die dort standen, und ließ mich neben ihr nieder, ohne ihre Hand loszulassen. Wieder und wieder rief ich sanft ihren Namen und streichelte ihren Handrücken. Mit einem Mal regte sich etwas in ihren Augen. Ich atmete erleichtert auf. Sie kam wieder zu sich. Am Ende des Korridors tauchten Ryan und Finn auf, und ein warnender Blick von mir genügte, dass sie ihre unüberhörbare Ausgelassenheit drosselten. Leise eilten sie heran, und Ryan ging sofort neben mir auf die Knie. „Milly!“, rief er sanft und nahm erstaunlich behutsam ihre andere Hand. Endlich klarten Millys Augen auf, und sie blickte verstört von Ryan zu mir und wieder zurück. Dann dämmerte es ihr anscheinend.
    „Oh!“, sagte sie und zog die Hände an die Brust, als hätte sie sich an uns verbrannt. „Was ist denn los?“
    Ryan schüttelte den Kopf. „Milly! Ich bringe Sie jetzt ins Pfarrhaus, und danach rufe ich Doktor Ross an.“
    „Was reden Sie da für einen Unsinn?“
    „Können Sie sich an irgendetwas erinnern?“, fragte ich.
    „Natürlich! Ich bin doch nicht verrückt. Ich war gerade auf dem Weg in den Speisesaal, um Ailsa zu sagen, dass sie das silberne Fischbesteck polieren soll.“
    „Nein, äh, das meinte ich nicht. Sie sagten: Die Brüder sind uneins.“
    „Warum sollte ich so etwas Komisches sagen? Sie haben sich bestimmt verhört.“
    „Nein, Milly. Sie haben die Worte sogar wiederholt.“
    Auf einmal glänzten Tränen in ihren Augen. „Ich bin nicht verrückt!“, rief sie händeringend aus. „Im Leben

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