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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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Ray!“
    „Ich hatte gehofft, du wärst tot“, entgegnete Ryan. Seine Miene erinnerte mich an einen zähnefletschenden Wolf, ebenso wie sein Tonfall.
    „Entschuldige!“, sagte Marlin. „Mein Versehen.“
    „Ihr kennt euch?“, fragte ich und blickte von einem zum anderen und wieder zurück.
    „Er ist mein Bruder“, erklärte Marlin, und für einen Moment glaubte ich tatsächlich, mich verhört zu haben.
    „Dein …“, begann ich und schluckte einen Brechreiz hinunter.
    „Halbbruder“, präzisierte Ryan und wandte den Blick von Marlin ab, um mich anzusehen. „Geht es dir gut?“
    Ich nickte nur, denn ich hatte einen so großen Stein im Magen, dass ich kaum atmen konnte, geschweige denn reden.
    In Ryans Gesicht zeigte sich für einen kurzen Moment endlose Erleichterung, gefolgt von tiefster Eifersucht – und Marlin erkannte es. Er warf mir einen überraschten Blick zu und hob eine Augenbraue. „Ach, so ist das“, flüsterte er.
    „Marlin! Ich …“
    „Schon gut! Du brauchst nichts zu sagen.“ Er lächelte.
    Und da endlich fiel es mir auf. Es waren Ryans Lippen in Marlins Gesicht. Dieser Schwung – dieses scheinbar ewige Lächeln. Nur eine Familienähnlichkeit und doch so zerstörend in ihrer Gleichheit, dass es mir wortwörtlich die Beine unter mir wegzog. Marlin fing mich auf. Ich hörte wie von fern Ryans besorgte Stimme, und ich versuchte noch, ihnen klarzumachen, dass es mir gutging, bevor ich endgültig wegsackte.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Bett, und jemand legte mir einen kühlen Lappen auf die Stirn. Ich öffnete die Augen, erkannte, dass ich mich in meinem Zimmer befand, und blickte in Ailsas Gesicht.
    „Du hast einen Kater und einen Sonnenstich“, sagte sie. „Und du siehst aus wie ein frisch zubereiteter Hummer.“
    „Was?“, fragte ich und wollte mich aufsetzen, doch das Gefühl von in Fetzen herabhängender Haut ließ mich sofort erstarren. Bloß nicht bewegen! Bloß nicht! Mein Kopf brummte, als hätte sich ein Bienenschwarm in meinen Gehirnwindungen verirrt. Ganz langsam sank ich zurück in die Kissen, lüftete vorsichtig das Laken, unter dem ich lag, und musterte meinen nackten, rotglühenden Leib. Ich war überall krebsrot. Überall …
    Ich ließ das Laken wieder vorsichtig runter und warf Ailsa einen Blick zu. In ihrem Gesicht las ich, dass sie es wusste. „Ailsa …“
    „Ist schon okay“, unterbrach sie mich und zuckte mit den Schultern. „Es war nie mehr als Freundschaft.“
    „Das tut mir leid.“
    „Was soll’s“, entgegnete sie. „Lieber du als die Schnepfe da unten.“ Sie hob geziert eine Hand und flötete mit übertriebenem französischem Akzent: „Sie müssten mir noch Handtücher bringen. Die hier sind viel zu kratzig!“
    Ich lächelte sie an und sagte: „Danke, Ailsa!“
    Sie nickte. „Willst du was trinken? Doktor Ross sagte, du sollst so viel Flüssigkeit aufnehmen, wie du nur kannst. Ich habe hier Eistee, Wasser und Zitronenlimonade. Die hat Milly vorhin für dich angesetzt.“
    „Wie geht es ihr?“
    „Ganz gut, denke ich. Sie sieht zwar aus, als würde sie hinter jeder Ecke Männer mit Zwangsjacken vermuten, aber ich habe vorhin gehört, wie sie Ryan davongejagt hat, als er sich unbefugten Zutritt zu dir verschaffen wollte. Also ist sie fast wieder die Alte.“
    „Und Ryan?“
    Sie lächelte. „Als ich ihn das letzte Mal sah, saß er im Kaminzimmer und schüttete Whisky in sich hinein, während Madame Pompadour ihm Gesellschaft leistete, die er – so wie er dreinschaute – nicht wollte.“
    Ich wollte auch nach Marlin fragen, traute mich aber nicht, doch Ailsa hatte ein gutes Gespür.
    „Marlin ist zurück in sein Cottage gegangen“, sagte sie. „Er lässt ausrichten, dass du dir keine Sorgen machen sollst, und er kommt morgen wieder, um nach dir zu sehen.“
    „Oh Gott!“, rief ich. „Was habe ich da bloß angestellt!“
    Ailsa grinste breit. „Gute Arbeit, Jo. Endlich ist hier mal was los.“
    Ailsa war nicht mit Gold aufzuwiegen. Wegen der Schmerzen bekam ich kein Auge zu, und sie war die halbe Nacht hindurch damit beschäftigt, mir dauernd feuchte Laken um den Leib zu schlingen und mir Mut zuzusprechen, bis ich irgendwann in einen Dämmerschlaf fiel.
    Als ich wieder erwachte, schien helles Licht durchs Fenster herein. Ailsas Sessel war leer, doch am Fußende meines Bettes stand Ryan und blickte mich aus rotgeränderten Augen an.
    Am liebsten hätte ich mich wieder unter mein Laken vergraben und weitergeschlafen

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