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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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reicht’s! Ich sage euch was: Solange ihr zwei euch wie infantile Schläger benehmt, könnt ihr euch eure schönen Worte, euer Geschwätz von Liebe und Hingabe in den Hintern schieben!“
    „Jo …“ Marlin hob beschwichtigend eine Hand.
    „Alle beide!“, fauchte ich und durchbohrte ihn mit meinem Blick. Die Hand sank wieder.
    „Meinetwegen zieht doch zu Felde wie die Zeloten, aber lasst mich dabei außen vor – und zwar in jeder Beziehung!“
    „Das meinst du nicht ernst“, sagte Ryan, runzelte die Stirn und zuckte vor Schmerz zusammen.
    „Auf was willst du wetten?“, versicherte ich ihm, drehte mich zur Tür und ließ die Brüder dort im Regen zurück.

Die Farben des Regenbogens
    Die sonst so anheimelnde Atmosphäre der Bibliothek mit ihren Gerüchen und dem warmen Licht erzielte nicht den erhofften Effekt auf meine in Aufruhr befindlichen Gefühle. Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Allein der Umstand, dass ich vor Wut schäumte, hielt mich davon ab.
    Draußen vor den Fenstern fand der Weltuntergang statt, und es hätte mich nicht überrascht, wenn sich auch über meinem Kopf Gewitterwolken zusammengezogen hätten und es in der Bibliothek plötzlich wie aus Eimern gießen würde.
    Ailsa und Finn hatten Marlin mit dem Landrover zurück ins Cottage gefahren, und Ryan war von Milly und Severíne verarztet worden. Ich war ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer gegangen, hatte die Tür hinter mir zugeworfen und meinen Koffer aus dem Schrank gezerrt. Dann saß ich eine Ewigkeit auf dem Bett, den Koffer vor mir auf dem Boden, und konnte mich nicht dazu durchringen, sie zu verlassen.
    Irgendwann hatte ich den Koffer wieder in den Schrank verfrachtet, mich umgezogen und war in die Bibliothek gegangen, in der Hoffnung, dort Ruhe und Frieden zu finden. Doch auch Annies Briefe konnten meinen Gemütszustand nicht abkühlen. Ich konnte mich ja kaum auf die geschriebenen Worte, geschweige denn deren Inhalt konzentrieren. Immer und immer wieder spielte sich die Szene vor meinen Augen erneut ab – und immer und immer wieder wurde ich so wütend, dass ich fast mit den Zähnen knirschte.
    Plötzlich ging die Tür ein Stück weit auf, und eine leise, unsichere Stimme erklang. „Kann ich mit dir reden?“
    Auch das noch! Ich hob den Kopf.
    Ryans Nase war lila und angeschwollen. Er hatte einen blutigen Riss über der rechten Augenbraue und einen in der Unterlippe. Das linke Auge würde morgen blau sein, dann violett, grün …
    „Nicht, wenn ich dich davon abhalten könnte“, sagte ich und schaute wieder auf den Brief vor mir, ohne ihn wirklich zu sehen. Kurz darauf hörte ich seine Schritte auf dem Dielenboden, wie er den Stuhl zurückschob und sich langsam und mit einem leisen, unterdrückten Schmerzenslaut setzte.
    „Marlin geht es gut so weit“, sagte er. „Ailsa und Finn waren eben noch mal kurz bei ihm.“
    Ich schwieg, sah auch nicht auf, doch seinen Blick spürte ich so sehr, dass meine Kopfhaut zu kribbeln begann.
    „Jo!“, flehte er. „Bitte! Sag doch was!“
    „Was habt ihr euch dabei gedacht?“, rief ich und hob sofort die Hand, um ihm zuvorzukommen. „Nein! Lass es! Ich will es gar nicht wissen.“ Ich schaute wieder auf den Brief.
    „Wir haben gar nicht nachgedacht“, sagte er. „Ich jedenfalls nicht. Es war …“
    „Ich hatte gesagt, ich will es nicht wissen“, knurrte ich.
    Wir schwiegen. Allein der Regen, der Wind und das Knacken der Torfscheite im Kamin waren zu hören.
    „Dann lass uns über etwas anderes reden, Jo!“, bat er und legte seine Hand auf meine. Ich zog sie weg, lehnte mich zurück und sah ihn an. Das intensive Grün seiner Augen biss sich furchtbar mit den restlichen Farbtönen in seinem zerschundenen Gesicht, doch ihre Wirkung auf mich hatten sie dadurch nicht eingebüßt. Ich verbannte alle aufkommenden Gefühle aus meinem Bewusstsein, räusperte mich und fragte: „Worüber?“
    „Ähm“, fing er an, biss versehentlich auf seine Lippe und zuckte zusammen. Er hob den Kopf und beäugte mich, als wäre er auf der Hut vor einem weiteren Donnerwetter. „Lucas sagte, Ailsa und du wart im Dorf? Im Pfarrhaus?“
    „Ja, waren wir.“
    „War es nett?“
    „Ja.“
    „Hat er dir seine Sammlung gezeigt?“ Ein kleines, lockendes Lächeln überzog sein Gesicht, was in Kombination mit den vielfältigen Überbleibseln der Schlägerei so bizarr wirkte, dass ich unwillkürlich schmunzeln musste.
    „Du weißt von der Sammlung?“
    Er nickte. „Meine Großmutter und

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