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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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Wort oder Blick das Unwetter losbrechen könnte.
    Ryan wollte mit Finn und Lucas gegen Mittag nach Fort William aufbrechen, um eine schnelle Untersuchung in dem dortigen Museum durchzuführen. Sie würden erst am Sonntagnachmittag wieder zurück sein, und er hatte mich gefragt, ob ich mitfahren wollte, doch ich hatte abgelehnt. Es gab noch etwas zu erledigen, das ich nicht länger vor mir herschieben konnte.
    Marlin … Und die Wetterlage war unberechenbar.
    „Wie ging es Marlin gestern Abend?“, fragte ich und half Ailsa beim Einsammeln der Teller, während alle anderen bereits aufgebrochen waren. Sie zuckte mit den Schultern.
    „Die Familienähnlichkeiten sind heute noch viel größer, vermute ich mal. Er hat in etwa dieselben Blessuren. Bei Marlin ist es das andere Auge. Es wird heute fast zugeschwollen sein, schätze ich. Er hat einen Riss am rechten Ohrläppchen und einen im Mundwinkel. Und er hat sich den Mittelfinger verstaucht.“
    Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, da wurde ich schon wieder wütend. Dennoch ging ich anschließend in mein Zimmer, setzte mich an den Kamin und nahm mein Telefon.
    „Ich hätte nicht gedacht, dass du anrufst“, sagte er, als er nach dem ersten Klingeln sofort ranging.
    „Wie geht es dir?“, fragte ich.
    „Es tut mir leid, Jo!“
    „Ich habe gefragt, wie es dir geht.“
    „Du bist immer noch wütend, oder?“
    „Marlin!“
    „Es geht so“, sagte er schnell. „Mir tun die Knochen weh, und ich sehe ein bisschen aus wie Rocky, eins bis vier.“
    Ich biss mir auf die Lippe.
    „Es ist schön, dass du anrufst“, sagte er dann, und am liebsten hätte ich ihn durchs Telefon gezogen und ihn so lange geschüttelt, bis die Vernunft in seinem malträtierten Schädel wieder Einlass fand.
    „Brauchst du irgendetwas?“, fragte ich stattdessen.
    „Ich brauche dich, Jo.“
    Da legte ich auf. Ich schloss die Augen und atmete ein paarmal tief durch, öffnete sie wieder und starrte auf die brennenden Torfstücke im Kamin. Dann wählte ich erneut seine Nummer, und bevor er auch nur irgendetwas von sich geben konnte, sagte ich: „Ich bin in zwei Stunden da.“
    „Glaub nicht, dass ich dir verziehen habe“, erklärte ich, als Marlin die Tür öffnete. „Ich bin nur hier, um nach deinen Verletzungen zu sehen.“
    „Okay.“ Ein Lächeln blitzte auf in seinem Gesicht. Der Wangenknochen auf der rechten Seite war lila, und Ailsa hatte recht, das Auge darüber war zugeschwollen. Die Haut zwischen dem rechten Ohrläppchen und der Wangenseite war eingerissen.
    „Das sieht böse aus“, meinte ich, hob die Hand und drehte sein Gesicht zur Seite, um es besser einschätzen zu können.
    „Das wird schon wieder“, erwiderte er grinsend. „Du solltest mal den andern sehen.“
    „Den habe ich gesehen“, entgegnete ich trocken, trat an ihm vorbei in den Flur, ließ mir aus der Regenjacke helfen, die ich mir von Malcolm geliehen hatte, und ging ins Wohnzimmer. Im Fernsehen lief eines dieser Snooker-Matches, und der Tisch war vollgestellt mit Ordnern und Akten. Daneben stand unbenutztes Verbandszeug.
    „Setz dich da hin!“, befahl ich und zeigte auf die kleine Sesselgruppe vor dem Kamin. „Ich will es mir ansehen.“
    Der Riss war Gott sei Dank nur oberflächlich, er würde von allein zusammenwachsen. Ich nahm den kleinen Tiegel Wundsalbe, den Ailsa mir mitgegeben hatte, aus der Tasche, öffnete ihn und ignorierte Marlins Naserümpfen.
    „Wer schön sein will, muss leiden“, sagte ich und strich die klebrige Masse auf die Kratzer in seinem Nacken und auf die Schrammen an Kinn und Ellbogen.
    „Ich sollte mich öfter prügeln, wenn du mich danach jedes Mal so liebevoll umsorgst“, meinte er, woraufhin ich mit den Fingern gegen das Ohr schnippte.
    „Au!“
    „Noch so einen Spruch, mein Lieber, und Doktor Ross wird dir deine Ohren wieder annähen müssen.“
    „Rücksichtsloses Frauenzimmer!“, murmelte er mit einem Lächeln in der Stimme.
    Ich drehte den Deckel wieder auf den Tiegel, stellte diesen auf den Tisch und wischte mir die Finger an einem Papiertaschentuch ab. „Was tut dir sonst noch weh?“, fragte ich.
    „Willst du es alphabetisch?“
    Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Okay, anders gefragt, was tut dir nicht weh?“
    „Mein Schwanz.“
    „Na, Gott sei Dank“, sagte ich nur und drehte sein Gesicht nach allen Seiten.
    „So! Und wenn ihr noch mal versuchen solltet, euch gegenseitig umzubringen, bin ich weg, und ihr beide könnt eure Familienzwistigkeiten bis

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