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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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machte mich auf den Weg zurück in die Burg und ging schnurstracks in die Bibliothek. So nach und nach betrachtete ich diesen Raum mit seiner dunklen Holzvertäfelung, den abgeriebenen Ledersesseln, den deckenhohen Regalen und seinem unverwechselbaren Duft als mein höchstpersönliches Refugium. Daher war ich ziemlich verwundert und etwas verärgert, als ich Severíne dort vorfand. Sie stand am Tisch, in Jeans, Hemd und einer Mohair-Strickjacke, hatte die blonden, glänzenden Haare zu einem simplen Pferdeschwanz gebunden und blätterte lustlos in Annies Briefen.
    „Kann ich dir helfen?“, fragte ich und machte die Tür hinter mir zu.
    Sie blickte auf. „Da bist du ja. Ich habe auf dich gewartet.“
    „Ach, tatsächlich?“
    „Oui!“, sagte sie und lächelte. „Ich wollte mit dir reden und mich bei dir entschuldigen.“
    „Weswegen?“
    „Ich war nicht gerade charmant zu dir, oder?“
    „Das ist mir kaum aufgefallen“, sagte ich und ging zu ihr, nahm ihr das Blatt aus der Hand und legte es auf den Stapel, den ich noch lesen wollte.
    „Jo, seien wir mal ehrlich. Du mochtest mich doch von Anfang an nicht. Als du sahst, dass ich Ryan geküsst habe, bist du auf und davon. Ich hatte keine Chance zu erklären.“
    „Severíne, das ist doch kalter Kaffee.“
    „Wie? Kalter Café?“
    „Das ist ein altes Thema, meine ich. Das müssen wir nicht mehr vertiefen.“
    „Findest du nicht? Ich schon. Ich bin dir nicht aus Groll – wie heißt das? – aus dem Weg gelaufen?“
    „Gegangen.“
    „Aus dem Weg gegangen“, sagte sie und betonte die Silben. „Ich glaubte eher, du wolltest nichts mit mir zu tun haben.“
    Sie stand da in ihrer grazilen Vollkommenheit, und ich versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, so wie Ryan es oft bei mir getan hatte, doch ich entdeckte keine Anzeichen von Verschlagenheit in ihren grauen Katzenaugen. Aus ihrem Gesicht sprach Betroffenheit. Nichts weiter. Ich hoffte, dass ich nicht falschlag.
    „Ja, vielleicht“, erwiderte ich. „Vielleicht hatten wir einfach nur einen schlechten Start.“
    „Siehst du?“, sagte sie und lächelte. „Das meine ich. Einen schlechten Start.“
    „Und was machen wir jetzt?“
    „Wir fangen von vorne an.“ Sie lachte und reichte mir ihre zarte, feingliedrige Hand. „Hallo! Ich bin Severíne Françoise de Leroux. Ich habe mittelalterliche Symbolik an der Sorbonne und in Oxford studiert und arbeite für Professor Sutherland als Forscherin am Institut von Edinburgh.“
    Immer noch voller Skepsis griff ich zu. „Ich bin Johanna Bergman und ich habe drei Semester Philosophie studiert und kann ansonsten nicht viel vorweisen.“
    „Das macht nichts!“, sagte sie lachend und winkte ab. „Hast du Lust auf einen echt französischen Café au Lait?“
    „Hier?“
    „ Mais oui! Komm mit mir!“ Sie hielt meine Hand fest und zog mich vom Stuhl.
    Es war halb zwölf, und anders als in Deutschland war Millys Küche um diese Uhrzeit verwaist. Ich ließ mich am Tisch nieder und beobachtete Severíne, wie sie den Kessel mit Wasser füllte, Milch in einen Topf goss und beides auf dem Herd abstellte. Es waren banale Tätigkeiten, doch jede ihrer Handbewegungen war graziös und anmutig wie die einer feinen Dame und wirkte auf irgendeine Weise verführerisch.
    „Kann ich dich etwas fragen?“, bat ich und schaute zu, wie sie zwei verschiedene Kaffeesorten in eine kleine, gläserne Filterkanne tat.
    „Naturellement!“
    „Hast du gemerkt, dass Malcolm in dich verliebt ist?“
    „Malcolm?“ Sie sah mich überrascht an. „Nein. Er ist wirklich ein lieber Junge. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ihm … Hoffnungen gemacht hätte. Er scheint eher dich zu mögen. Bist du sicher?“
    „Es ist ziemlich offensichtlich, Severíne. Er lässt den Kopf hängen wie ein geprügelter Hund. Sei mir nicht böse, aber vielleicht könntest du einfach nur ein bisschen weniger Charme sprühen lassen, wenn er dabei ist.“
    Severíne lachte. „Das werde ich bedenken. Merci, Chérie! “ Sie warf dem Herd einen prüfenden Blick zu und ließ sich geschmeidig mir gegenüber nieder, schlang die Beine übereinander und strich sich mit den Fingerspitzen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Herrgott!, dachte ich, das ist noch nicht mal einstudiert. Bekommt man so was in Frankreich in die Wiege gelegt? Ich kam mir vor wie ein Trampel und schlug klammheimlich meine Beine unter dem Tisch übereinander.
    Schottisches Wetter, schottisches Essen, Schottenröcke, Olivier Martinez und

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