Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
Markus Schenkenberg in ebenjenen, Berlin, Marseille, deutscher Wein, französischer Wein, Whisky … Als der Teekessel endlich zu pfeifen begann, hatten wir alle unverfänglichen Themen durch, und ich machte mir langsam Sorgen, weil mir der Gesprächsstoff ausging. Ich schaute zu, wie sie die letzten Handbewegungen ausführte und roch bereits den Duft, der aus der Kanne aufstieg.
Severíne drückte die Filterscheibe stetig und langsam nach unten, nahm dann den Milchpott vom Herd und goss Kaffee und Milch gleichzeitig in zwei große, bauchige Suppentassen. Zu guter Letzt nahm sie die Zuckertüte, streute braunen Zucker obendrauf und schob mir eine der Tassen über den Küchentisch zu.
„Voilà!“
Ich beugte mich über die Tasse und sog den Duft tief ein. „Oh Gott! Ich habe das Gefühl, so was seit Monaten nicht mehr getrunken zu haben.“
„ Allez! Trink vorsichtig! Er ist heiß“, sagte sie lächelnd.
Ich nahm den Löffel und rührte ein wenig darin herum, steckte ihn mir in den Mund und schloss die Augen vor lauter kaffeegetränkter Glückseligkeit.
„Ich habe mit Ryan geredet. Gestern am Abend.“
Ich riss die Augen auf. „Worüber?“
„Über ihn und seinen Bruder – und über seinen Vater. Und ich glaube, ich habe etwas erreichen können.“
„Du glaubst, du …“
„Oui!“ Sie nickte. „Wir werden, nachdem wir hier fertig sind, zu seinem Vater fahren. Er hat mir sein Versprechen gegeben.“
„Wenn dir das gelungen ist, Severíne, dann verdienst du meine Anerkennung.“
Severíne lächelte und rührte in ihrem Kaffee, hob den Kopf und blickte mich an. „Ich möchte nicht deine Anerkennung, Joanna, sondern dein Einverständnis. Ich weiß, er wird nicht mitgehen, wenn du es nicht, ähm … gutheißt?“
„Du willst mein Okay?“
„ Oui! Joanna, schau! Ryan ist uneins mit sich und der Welt. Das war auch der Grund, warum ich ihn damals nicht halten konnte. Ich liebe ihn, und ich weiß, dass auch du ihn liebst, und darum bitte ich dich, mir zu helfen. Um seinetwillen – nicht für mich.“
Bevor ich antworten konnte, drang vom Korridor her eine laute, wutschnaubende Stimme zu uns in die Küche: „Dieses verfluchte Mistvieh! Dem Biest drehe ich den Hals um!“ Im nächsten Augenblick rauschte Milly um die Ecke, mit Nelly im Schlepptau und dem zerfledderten Rest eines ehemals monströsen Lachses in den Händen. Severíne und ich schafften es gerade noch rechtzeitig, unsere Tassen vom Tisch zu heben und von den Stühlen zu springen, bevor Milly den Kadaver mit einem Klatschen auf die Tischplatte fallen ließ. Wasser, Sand und Grasfetzen flogen durch die Luft.
„Jemand sollte diese gottlose Kreatur erschießen, bevor ich sie in die Finger kriege!“
„Mackenzie?“, fragte ich.
„Ersticken soll er daran!“, fauchte Milly. „Ich habe mich nur kurz umgedreht und zack! – Aus dem Korb hat er ihn mir geklaut.“ Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. „Was mache ich denn jetzt?“
„Bouillabaisse“, schlug Severíne vor, und ich fing an zu lachen.
Da uns laut Rezeptur sechs weitere Fischsorten fehlten, um eine anständige Bouillabaisse zuzubereiten – Milly hatte zwar vorgeschlagen, Mackenzie zu filetieren, um diese Fische zu ersetzen, konnte aber davon abgebracht werden –, sollte es nun eine einfache Fischbrühe geben. Also hatte Milly den angefressenen Teil des Lachses großzügig abgetrennt, Nelly in die Hand gedrückt und sie aufgefordert, ihn mit Rattengift zu spicken und in den See zu werfen. Nelly war daraufhin aus der Küche geflüchtet.
Später erfuhr ich, dass Rupert das Stück heimlich an Mackenzie verfüttert hatte, was mich zu der Frage veranlasste, ob er dies wohl öfter tat. Sein schelmischer Gesichtsausdruck war Antwort genug auf die Frage, warum der Fischotter keine Scheu vor Milly hatte.
Die Brühe war köstlich, das frisch gebackene Brot dazu ein Festschmaus, und Ruperts Schilderungen, der Millys Jagd vom Nordturm aus verfolgt hatte, untermalten den Lunch.
„Und dann ist sie mit der Lauchstange Mackenzie hinterher“, rief er und schwang seinen Löffel wie eine Keule, während ihm die Lachtränen über das Gesicht liefen. „Und gebrüllt hast sie: ‚Gib ihn wieder her! Gib ihn wieder her!’“
Alle am Tisch brachen in erneutes Gelächter aus und schauten Milly schadenfroh und doch voll Nachsicht an.
„Dieses Vieh hasst mich!“ Milly wischte sich mit der Serviette die Tränen aus den Augenwinkeln.
„Nein, mo chridhe! “ Rupert hielt sich den
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