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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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Tür.
    „Jo?“
    „Was?“, fragte ich und versuchte, mich auf Marlin zu konzentrieren.
    „Ich fragte, ob es dir gutgeht.“ Er blickte mich aus großen, blauen und sorgenvollen Augen an.
    „Es ist meine Schuld, Marlin. Ryan kann nichts dafür.“
    „Das ist keine Antwort, Jo.“
    „Ja, es geht mir gut.“ Ich löste mich aus seinen Armen und lächelte tapfer. „Ich will bloß eine Dusche und etwas zu essen, dann bin ich glücklich.“
    „Ich lasse dir ein Bad ein, mo chridhe “, sagte Milly und streichelte fürsorglich lächelnd meinen Arm. „Dann geht es dir gleich besser. Wirst sehen.“
    „Das wäre wundervoll.“
    „Komm!“ Marlin legte den Arm um mich. „Ich bringe dich hinauf. Kannst du laufen, oder soll ich dich hochtragen? Was ist mit deinen Händen passiert?“
    „Es geht mir gut, wirklich!“
    „Aye. Das sehe ich“, meinte er und zog mokant eine Augenbraue hoch.
    Im großen Goldrahmenspiegel des herzoglichen Bades konnte ich es auch sehen. Mein Gesicht war aschfahl und staubig. Die Spuren meiner Tränen waren deutlich zu erkennen wie ausgetrocknete Flussbette auf schlammfarbenem Untergrund. Das Haar stand mir stumpf und wirr zu allen Seiten ab und hatte eine Farbe, die mich um hundert Jahre älter machte. Meine Augenränder waren rot und aufgequollen, genauso wie meine Lippen.
    Marlin hatte mich bis ins Bad hinein begleitet, mir ständig Wörter wie Unverständnis und Leichtsinn ins Ohr gemurmelt und war dann Gott sei Dank von Milly hinauskomplimentiert worden.
    „Wir sehen uns morgen!“, hatte er noch gerufen, bevor Milly die Tür vor seiner Nase zugeschlagen hatte.
    „Ja, morgen“, murmelte ich, griff mir vorsichtig ins Haar und nieste kräftig. Eine Staubwolke umnebelte mein Spiegelbild.
    Hinter mir schwirrten Milly und Ailsa herum, und der Duft von Veilchen kitzelte meine Nase. Dicke Dampfwolken stiegen aus der großen, auf verschnörkelten Füßen stehenden Gusseisenwanne auf, der Spiegel beschlug und versteckte meinen Anblick nach und nach unter duftenden Nebelschwaden.
    „So!“, sagte Milly. „Raus aus den Klamotten, Mädchen!“ Sie kam entschlossen auf mich zu und verlor keine Sekunde. Im Handumdrehen lag ich nackt in der Wanne, ließ mir von Ailsa das Haar waschen und schaute träge zu, wie Milly meine völlig eingestaubte Kleidung mit spitzen Fingern nach draußen trug.
    Eine Stunde später fühlte ich mich wie frisch aus dem Ei gepellt. Milly hatte noch etwas vom Abendessen für mich übrig gelassen, was ich gemütlich bei ihr in der Küche verschlang, während sie, Ailsa und Nelly Ordnung schafften, lustige Anekdoten von sich gaben und das Frühstück für den nächsten Tag vorbereiteten.
    Gesättigt, zufrieden und ziemlich müde machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer, und als ich aus dem Turm stieg, schlug mir der Krach mit voller Wucht entgegen. Sie standen keine fünf Meter von mir entfernt und waren so in ihren Wortwechsel vertieft, dass sie meine Anwesenheit nicht mal bemerkten.
    „Und was habt ihr gefunden?“, brüllte Marlin. „Die verdammte Erfindung eines durchgedrehten Engländers. Wenn ihr was passiert wäre, Ray!“
    „Ihr ist nichts passiert!“
    „Es hätte aber leicht dazu kommen können. Wenn du sie in Gefahr bringst, sehe ich nicht einfach zu und applaudiere.“
    „Nein, du spielst dich auf wie der große Zampano!“
    „Hey!“, rief ich. „Wenn ihr zwei fertig seid, können wir dann zum üblichen Schlagabtausch zurückkehren?“
    Sie starrten mich an, als wäre ich eine Fata Morgana. „Was ist?“, fragte ich. „Soll ich die Schwerter holen?“
    In Ryans Gesicht zuckte ein Mundwinkel. Marlin sank in sich zusammen und holte tief Luft. „Nein, ist schon gut, Jo.“
    Ich schaute Ryan an und neigte den Kopf. „Lässt du uns kurz allein? Bitte?“
    Er erwiderte meinen Blick lächelnd und nickte.
    „In Ordnung, Jo. Aber erklär diesem Hampelmann bitte, dass es dir gutgeht, aye?“
    „Ja, mache ich.“
    Ryan nickte noch einmal und lächelte mich entschuldigend an, bedachte seinen Bruder dann mit einem Blick, aus dem der pure Zynismus sprach, und ging kopfschüttelnd davon.
    „Hattest du nicht gesagt, wir sehen uns morgen?“, fragte ich, als Ryans Schritte nicht mehr zu hören waren.
    Marlin hob den Kopf und sah mich an. „Ich habe mir große Sorgen gemacht, Jo. Ryan ist ein Hitzkopf und geht unbekümmert sämtliche Risiken ein. Wenn dir etwas passiert wäre …“
    „Mir ist aber nichts passiert, Marlin. Und ich sage es dir jetzt zum

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