Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
hingen Pergamente, seltsame Tabellen, Listen und Diagramme, alle schon sehr alt und brüchig. Mittig befanden sich ein in die Jahre gekommener Schreibtisch und ein Lehnstuhl, von dem ein Bein fehlte. An der linken Seite stand ein geschlossener, in die Wand eingelassener Schrank, und auf der anderen befand sich eine Art Werkbank, die übersät war mit verrosteten Werkzeugen, Schrauben, Muttern, Teilen von alten Rohren und Stahlfedern. Alles war bedeckt von einer dicken Staubschicht.
„Was ist das alles?“, fragte ich und betrachtete die bis zur Decke reichenden und mottenzerfressenen Regale daneben. Zahlreiche uralte Bücher, Schriften und lose zusammengebundene Manuskripte lagen und standen dort. Werke eines John Dee, John Locke, Isaac Newton und Nicolas Flamel teilten sich die Regalböden mit unzähligen leeren, verstaubten Glaskolben, zusammengerollten Sternenkarten, seltsamen bräunlichen Zylindern und einer kleinen Maschine, die aussah wie eine antike kleine Waage, an der die Gewichte auf einer Skala hin und her geschoben werden.
„Das ist ein Klangschreiber – ein alter Phonograph!“, sagte Ryan und pustete den Staub von dem Gerät. „Das muss einer der ersten gewesen sein, die jemals gebaut wurden. Ein Mann … wie hieß der noch? Er hatte doch den gleichen Namen wie … Edison!“
„Edison? Der mit der Glühlampe?“
„Nein, nein.“ Ryan schüttelte den Kopf und lächelte vor Begeisterung. „Sie hießen beide Edison. Einer hat die Glühlampe erfunden, und der andere hat das hier entwickelt. Nach diesem Prinzip wurden später die Grammophone gebaut. Siehst du diese Zylinder hier?“ Er strich mit dem Finger vorsichtig über einen der bräunlichen Kolben im Regal, so dass die Oberfläche fast golden schimmerte. „Sie wurden in das Gerät eingespannt, und dann konnte man erste, kurze Töne aufnehmen und abspielen.“
„Ich weiß, was das hier ist“, sagte ich und drehte mich um.
„Aye. Ich auch.“ Ryan nickte. „Samuels Hobbyraum.“
„Sieh mal!“ Stirnrunzelnd ging ich hinüber zum Schrank und strich mit den Händen über die Oberfläche. „Der ist beinahe staubfrei. Es muss also jemand hier gewesen sein.“
Langsam öffnete ich erst die eine Tür und dann die andere.
„An ainm an aigh!“, kam es von Ryan, und in seiner Stimme schwangen Verwunderung und vorsichtiger Jubel mit.
„Was glaubst du, ist das?“, fragte ich und starrte die in Wurzelholz eingepassten Apparaturen an. In der Mitte befand sich eine Art Trichter, davor war ein weiterer Klangschreiber eingebaut, und rundherum waren wie an einer Schalttafel herausziehbare Knaufe angeordnet, die mich an Registerzüge einer Pfeifenorgel erinnerten.
„Auf den ersten Blick? Samuels Hi-Fi-Anlage würde ich sagen.“
„Wie bitte?“
Ryan atmete mit einem Lächeln aus. „Aye! Tja, Jo! Ich denke, wir haben den Ursprung des nächtlichen Gelächters enttarnt.“
„Du meinst …“
„Genau das! Ich will es nicht gerade jetzt austesten, aber ich bin mir ziemlich sicher. Komm! Lass uns zurückgehen. Wir müssen den Jungs Bescheid sagen.“
Er nahm meine Hand und zog mich von dem Schrank fort.
„Wer könnte dieses Gerät bedienen?“
„Wenn man erst mal die Funktionsweise herausgefunden hat, praktisch jeder, Jo.“ Ryan wischte mit den Händen ein paar Spinnweben beiseite und duckte sich, zumal der Gang nun wieder niedriger wurde, und da er den Kerzenleuchter hielt, musste ich im Halbdunkel hinter ihm herlaufen. Den Boden unter mir konnte ich kaum erkennen, und doch sah ich etwas Kleines über die Steine huschen. Ich schrie auf.
„Was ist?“, rief Ryan.
„Ratten! Oh Gott, Ryan! Hier sind Ratten!“ Ich trat auf etwas Weiches, was ein schreckliches Fiepen von sich gab, und nackte Panik erfasste mich. Schreiend verlor ich den Halt und taumelte gegen die Wand.
Und dann fiel die Tür vor uns zu.
„Scheiße!“ Ryan lief los und rammte seine Schulter gegen das Holz. „Verdammte schottische Eiche!“, schrie er und fluchte dann lauthals auf Gälisch weiter. Mir wurde schwindlig, und ich schloss fest die Augen.
„Ryan! Tu etwas! Bring mich hier raus!“
Ich zitterte am ganzen Leib und wagte kaum zu atmen, wollte mich irgendwo verstecken, fliehen. Nur weg von hier. „Oh Gott! Bitte!“
„Ich versuche es ja!“, knurrte Ryan, und seine Fäuste traktierten die Tür. „Mist! Jo, sie will nicht aufgehen. Wir müssen den anderen Weg versuchen. Komm mit!“ Er nahm meine Hand.
Ich zuckte wie von einer Tarantel
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