Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
war. Ständig war sie bei ihm, wusch ihm die Stirn mit kaltem Wasser, überredete ihn dazu, noch etwas zu trinken, schüttelte sein Kopfkissen auf und zog die Vorhänge zu, damit er besser schlafen konnte. Sie redete auch nicht unaufhörlich auf ihn ein, sondern versucht ihn nur ab und zu etwas aufzuheitern mit kleinen Anekdoten über die Kinder oder ermutigenden Bibelversen. Doch er wusste, dass sie, wenn er schlief, die Kühe molk und die anderen Arbeiten verrichtete, die er sonst tat. Wenn er sie nur auch beschützen könnte.
Phineas kam spät zum Mittagessen. Er warf einen kurzen Blick auf Jakob und sagte mit ironischer Stimme: „Du siehst aus, als hätte dich ein Pferd fünf Meilen über einen Feldweg gezogen.“
„Und dabei habe ich ihm doch gerade gesagt, dass er schneller wieder auf den Beinen ist als du und ich.“ Hope stellte Phineas einen Teller auf den Tisch. „Er ist einen Tag eher aus dem Bett als wir beide.“
„Du solltest wieder ins Bett gehen, Jakob!“ Annie biss sich auf die Lippe und schaute weg.
Warum hast du dir gerade diese Woche ausgesucht, Herr? Immer könnte ich krank werden, nur nicht jetzt.
„Natürlich legt er sich jetzt wieder hin.“ Hope deutete auf das Wohnzimmer. „Ich kann mich noch erinnern, wie froh ich war, endlich aus dem Bett zu kommen. Das Sofa ist ganz gemütlich. Während du und die Kleinen schlafen, Annie, kann ich ein bisschen bügeln. Wenn es dir nicht zu viel ist, Jakob, dann könntest du mir vielleicht ein paar Verse aus der Bibel vorlesen, bevor du einschläfst.“
Sogar das Gewicht der Bibel in seiner Hand war fast zu schwer für ihn. Er blätterte die Seiten um und betete: Herr, stärke mich. Du bist der gute Arzt. Heile mich, damit ich meine Familie beschützen und sie versorgen kann.
Das Geräusch des Bügeleisens auf dem Bügelbrett erinnerte ihn daran, dass Hope ihn gebeten hatte, laut zu lesen. „Ich möchte nicht, dass du denkst, ich hätte keinen Respekt für Gottes Wort, weil ich bügele, während du aus der Bibel vorliest. Es fällt mir nicht leicht, still wie eine Dame auf dem Sofa zu sitzen. Ich kann besser zuhören, wenn ich dabei häkele oder stopfe oder bügele.“
„Mein Vater hat meiner Mutter immer vorgelesen, während sie abends die Küche aufgeräumt hat. Dabei sagte er immer: ‚Müßiggang ist –‘“
„,– aller Pflaster Anfang.‘ Oh ja! Das Sprichwort habe ich auch schon mal gehört.“
Phineas verschluckte sich an seinem Essen.
„Brauchst du einen Schluck Wasser, Phineas? Ich hoffe, du klappst jetzt nicht zusammen, weil du zu früh wieder aufgestanden bist.“
Er räusperte sich. „Rückschlag. Ich habe keinen Rückschlag. Etwas ist mir – nur in den falschen Hals gekommen. Was liest du uns denn, Jakob?“
„Zweiter Korinther zwölf.“ Er las laut bis zum neunten Vers. „‚Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.‘“
„Oh, habt ihr das gehört? Ist das nicht der beste Vers, den wir seit Langem gelesen haben? Jakob, könntest du den Vers noch einmal vorlesen?“
Jakob starrte auf die dünnen Seiten seiner Bibel und konnte kaum begreifen, was er da gerade gelesen hatte. Wie oft habe ich den Vers schon gelesen und Predigten darüber gehört? Aber diesmal ist es anders . Er las den Vers noch einmal und betonte jedes Wort. Herr, wenn du in meiner Schwachheit stark bist, dann musst du gerade besonders stark in mir sein.
„Das hat wirklich gut gepasst.“ Phineas stand auf. „Ich gehe zurück an die Arbeit. Wenn du ... irgendwie ... Hilfe brauchst, rufe mich einfach.“
Das Bügelbrett quietschte ein bisschen, als Hope das Bügeleisen abstellte. „Ich muss schon sagen, Jakob, Gott überrascht mich immer wieder. Sein Wort sagt, dass Gott uns versorgt. Ich hab schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie ich meinen besonderen Bibelvers mit euch teilen kann. Du weißt schon: ‚Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!‘ Er passte so gut, weil du ja rausgehst, um dich mit Konrad zu treffen. Aber ich musste meinen Mund gar nicht erst aufmachen, denn Gott hat dir selbst einen Vers gegeben.“
„Es war sehr nett von dir, deinen besonderen Vers mit mir teilen zu wollen. In den Sprüchen steht: ‚Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen.‘“
„Einen Moment!“ Hopes Stimme klang ungläubig.
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