Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
gar nicht finden kann.“ Emmy-Lou rührte in ihrem Haferbrei.
„Deshalb arbeitest du ja auch mit deiner Tante zusammen.“ Jakob fiel auf, dass Hope seiner Schwester immer die leichten Arbeiten zuwies und die körperlich anstrengenden selbst erledigte.
„Diese Rosinen – die erinnern mich immer an Kuchen. Vielleicht können wir ja noch Kuchen backen. Rosinenkuchen mit Sauerrahm. Streuselkuchen. Karottenkuchen. Was sonst noch?“
„Annies Pfirsichkuchen“, sagte Phineas wie aus der Pistole geschossen. Dann räusperte er sich und griff schnell nach seiner Kaffeetasse.
„Zusammen mit dem Wasser hat Naomi am Vormittag bei der Ernte immer einen großen Korb Pfirsiche mit zum Feld gebracht.“ Jakob war ganz überrascht, dass der Schmerz bei dem Gedanken an seine Frau diesmal ausblieb. „Ich hätte gern, dass du das auch tust.“
„Emmy-Lou, du erinnerst uns daran.“ Hope lächelte seiner Tochter zu. „Das ist deine Aufgabe.“
„Ich denke bestimmt daran!“
Hope nannte noch ein paar Aufgaben und verteilte sie – die leichten waren immer für Annie. Außerdem brachte sie Phineas dazu, die Sägeblöcke und ein paar lange Bretter aus der Scheune zu holen, damit sie genug Tische hatten.
Annie legte ihren Löffel neben ihren Teller. „Ich arbeite nicht genug.“
„Da irrst du dich aber gewaltig.“ Hope beugte sich über den Tisch und legte ihre Hand auf Annies Fingerspitzen. Die Berührung sah irgendwie vertraut aus – stark und doch sanft. Liebevoll flüsterte Hope: „Jede Minute von jeder Stunde an jedem Tag wird in deinem Bauch ein Wunder zusammengewebt. Es gibt keine wichtigere Arbeit als die. Gott lässt in dir dieses Wunder wachsen und braucht dafür deine Hilfe. Jeder von uns kann alle anderen Arbeiten tun, aber Gott hat dir dieses Kind anvertraut, und diese Arbeit kannst du tun. Denk nicht so viel an die Arbeit, die hier jeden Tag auf uns wartet, denn in dir entsteht etwas viel Größeres.“
Annies Augen füllten sich mit Tränen. „Du bist so gut zu mir.“
Hope streichelte ihre Hand. „Sag mir das heute Abend noch mal, nachdem ich dich den ganzen Tag herumgescheucht hab.“
Eine seltsame Sehnsucht fuhr Jakob wie ein Pfeil durchs Herz, als er Hope und seine Schwester beobachtete. Was Hope für seine Tochter tat, war schon erstaunlich, aber für seine Schwester war sie wie der Regen nach einer langen Dürre. Was konnte er tun, damit sie noch länger blieb? Und wie lange würde sie bleiben, bevor sie wieder weiterziehen wollte, um auf der nächsten Farm zu helfen? Jakob machte den Mund auf, um sie hier und jetzt zum Bleiben zu bewegen, besann sich aber noch rechtzeitig. Vielleicht würde sie sein Angebot ablehnen, und dann wären seine Schwester und Tochter am Boden zerstört.
„Ich glaube, Hope wäre uns jetzt gerne los, damit sie endlich mit der Arbeit anfangen kann.“ Phineas wischte sich den Mund ab.
Sie sprachen gemeinsam ihr Gebet, und dann spannte Jakob sein Pferd vor die Kutsche, um in die Stadt zu fahren. Er wusste nicht, wann er die Gelegenheit haben würde, mit Hope zu sprechen. Aber ich muss mit ihr sprechen. Annie und Emmy-Lou brauchen sie so sehr.
* * *
„Da kommt jemand.“ Annie versuchte sich das Mehl von den Ärmeln zu wischen, als eine Kutsche vor ihrem Haus hielt. Sie hörte sich gar nicht begeistert an. Es war ihr immer am liebsten, wenn keiner vorbeikam und sie einfach allein waren.
„Ich mach die Tür auf.“ Hope trocknete sich die Hände am Saum ihrer Schürze ab. Mit keinem Wort hatte Annie je ihren Mann erwähnt, aber sie trug auch keine Trauer. Wenn aber ihre Trauerzeit schon vorbei wäre und ihr Mann vor mehr als einem Jahr gestorben war, dann wäre sie jetzt nicht schwanger. Das machte alles keinen Sinn. Außerdem wirkte Annie immer ängstlich ... irgendwie schreckhaft.
Hope machte die Tür auf und sah, dass Phineas schon auf dem Weg zur Kutsche war. „Es sind die Frauen von der Forsaken Ranch!“
Hope drehte sich um. „Hast du das gehört, Annie? Es sind Velma und diese englische Frau. Ich hab leider ihren Namen vergessen.“
„Sydney.“ Annies Stimme klang erleichtert. „Sydney Creighton.“
Emmy-Lou stieß einen Schrei aus. „Die hat mich aus dem dunklen Loch gerettet!“
Die Frauen kamen in die Küche, und die ältere der beiden stemmte die Hände in die breiten Hüften. „Wir sind Jakob in der Stadt begegnet. Wenn wir gewusst hätten, dass ihr mit der Ernte schon morgen anfangen wollt, wären wir gestern schon zum Helfen
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