Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
Und Naomi hatte ja auch einen Berg Babysachen genäht. Die müssen hier ja noch irgendwo sein.“
„Nein.“ Jakob sah Phineas durchdringend an. „Sie sind alle weg.“ In seiner Trauer hatte er alle Kleider von Naomi und dem Baby weggegeben. Auch die Decken. Ihr Anblick hatte ihn immer wieder daran erinnert, was er verloren hatte – dass er seine geliebte Frau nie wieder sehen würde und dass er nie einen weiteren Sohn bekommen würde. Er schob seinen Stuhl heftig zurück, obwohl sein Teller noch halb voll war. „Ich muss mich um die Pferde kümmern.“
* * *
Am Mittwoch fuhr Hope in die Stadt, um die Eier und die Milch zum Laden zu bringen. Danach lenkte sie Hattie zur Richardson-Farm. Emmy-Lou hockte neben ihr auf dem Maultierkarren. „Ich sehe ein Vögelchen.“
„Das ist ein Habicht. Hör mal genau hin. Jede Vogelart redet ein bisschen anders als die anderen. Hörst du z. B. dieses schöne Lied? Das ist eine Lerche. Und der Habicht fliegt da oben am Himmel und versucht durch sein Geschrei eine kleine Maus im Feld aufzuschrecken. Wenn sie dann losrennt, schießt er wie ein Pfeil nach unten und fängt sie sich als Abendessen.“
Hope hielt kurz bei der Forsaken-Ranch an, um Annie ein Stück Stoff zu bringen. „Dein Bruder hat mir gesagt, ich soll das hier für dich besorgen, damit du ein paar Babysachen daraus nähen kannst. Vergiss ja nicht, dass ich dir dabei helfen will.“
Als Hope den anderen Frauen auf der Richardson-Farm beim Austeilen des Mittagessens half, murmelte sie Jakob zu: „Ich hab den Stoff für Ihre Schwester gekauft. Im Laden in der Stadt hat mir der Ladenbesitzer diesen Brief für Sie mitgegeben.“
Jakob nahm ihr den Brief aus der Hand, warf einen kurzen Blick darauf und stopfte ihn in seine Tasche. „Danke.“
Er schien sich über den Brief nicht zu freuen. Doch Hope fragte ihn nicht warum. Seit Sonntag war er ständig schlecht gelaunt. In den letzten Tagen hatte er mehr geknurrt als geredet. Es war nur gut, dass die Ernte noch in vollem Gang war, sodass Annie ihn die meiste Zeit gar nicht sah. Sie war sowieso wieder viel ängstlicher und nervöser geworden – jedenfalls wenn ihr Bruder in der Nähe war. Aber Hope wollte sich von Jakobs schlechter Laune nicht den Tag verderben lassen. Sie schnappte sich eine leere Schüssel und machte sich wieder auf den Weg in die Küche.
Linette schien nur auf sie gewartet zu haben. Kaum war sie durch die Tür, zog Linette sie in die Vorratskammer und quietschte: „Wir müssen reden!“
„Warum können wir nicht einfach in der Küche reden?“
Linette wurde rot und schüttelte heftig den Kopf. „Papa hat Phineas gefragt, ob er heute Abend hierbleiben kann. Er kennt sich gut mit Maschinen aus, und eine der Erntemaschinen arbeitet nicht richtig.“
„Das stimmt. Phineas kann sie bestimmt reparieren.“
„Heute hat mir Phineas immer hinterhergeschaut. Vielleicht ist er ja der Richtige .“ Linette presste verzückt die Hände gegen die Brust. „Du musst mir alles über ihn erzählen!“
„Ich möchte dir ja nicht zu nahetreten, aber in diesem Punkt muss ich offen mit dir reden. Phineas ist sicher der Richtige, um die Erntemaschine zu reparieren, aber er hat es sicher nicht auf dich oder sonst eine Frau abgesehen. Er war heute bestimmt einfach nur hungrig und wollte sehen, was in deiner Schüssel ist. Der Mann isst für sein Leben gern.“
„Aber verstehst du denn nicht? Das ist ja noch besser! Ich bin eine gute Köchin. Ich will nicht angeben, aber ich kenne mich beim Kochen wirklich gut aus und weiß, was den Männern schmeckt. Wir wären so ein schönes Paar!“
Hope seufzte.
„Mama sagt immer, Liebe geht durch den Magen, und sie hat recht – schau dir Marcella und Leo an. Was isst Phineas am liebsten? Ich werde es morgen für ihn kochen!“
Die Tür der Vorratskammer ging einen Spalt auf.
Hope wirbelte herum, um möglichst schnell aus dieser unangenehmen Situation zu entfliehen. Stattdessen schob sich Mrs Richardson durch den Spalt und drückte die Tür hinter sich wieder zu. „Linette? Hast du sie schon gefragt?“
„Sie wollte es mir gerade sagen, Mama.“
„Mrs Richardson, Ma’am, ich habe Ihrer Tochter gerade erklärt, dass Phineas ein Mann ist, der weiß, was er will.“
Mrs Richardson und Linette sahen sich an und kicherten.
Irgendwie komme ich nicht wirklich weiter.
„Wir werden darauf achten, dass Linette ihm genau das gibt, was er mag. Wenn er auf seinem Sterbebett liegen würde, welches Essen würde
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