Ein schwarzer Vogel
keins. Ich darf gelegentlich bei meiner Wirtin im Vorderhaus telefonieren.«
Buda verschwand und ließ mich und Dona mit der kranken Frau allein. Das Mädchen bereitete heißes Senfwasser vor. Die Mutter stöhnte, wimmerte und ächzte. Mir schienen Stunden zu vergehen, während wir versuchten, ihr das heiße Senfwasser einzuflößen, und sie dann stützten, während sie von der Übelkeit, die darauf folgte, geschüttelt wurde.
Nach einer Weile ließen ihre Krämpfe nach. Ich ging in das Wohnzimmer und ließ Dona bei ihrer Mutter zurück. Ich sah mich nach dem Messer um: es stak mit der Spitze im Boden, aber es war nicht das gleiche Messer, das Juanita werfen wollte, denn das war ein bedrohlich aussehender Dolch mit einem Heft aus Onyx gewesen. Das Messer, das jetzt im Boden steckte, war ein gewöhnliches Küchenmesser mit einem Holzgriff und hatte ein paar Farbflecke auf der Klinge.
Ich rührte es nicht an.
Dann rief Dona. Ihre Mutter hatte einen hysterischen Anfall, schlug um sich und schrie. Ich ging in das Schlafzimmer und half Dona, die Mutter festzuhalten.
Die Sirene des Polizeiwagens, die Alarmglocke des Krankenwagens, weißgekleidete Männer und Buda, der schnell kurzgefaßte Anweisungen gab, kamen mir kaum zum Bewußtsein. Ein Arzt stieß mich zur Seite, und das nächste, woran ich mich erinnerte, war, daß ich im Hof mit ein paar Polizisten vor dem Streifenwagen stand und Inspektor Buda seine Blicke in meine Augen bohrte.
»Was haben Sie hier zu suchen?« forschte er.
»Ich interessierte mich für die Krähe.«
»Und warum?«
»Ich interessierte mich eben dafür.«
»Wer ist die Frau?«
»Ihre Mutter.«
»Haben Sie gesehen, wie sie das Konfekt aß?«
Ich nickte nur.
»Wieviel?«
»Drei oder vier Stück.«
»Wann ungefähr wurde ihr schlecht, nachdem sie das Zeug gegessen hatte?«
»Beinahe sofort.«
»Könnte Zyankali sein«, sagte Buda. »Bleiben Sie hier, Lam. Ich muß später noch mit Ihnen reden. Kommt mit, Jungs, wollen mal sehen, was mit dem Konfekt los ist.«
Die Polizisten gingen in das Haus. Zwei Sanitäter trugen auf einer Bahre Mrs. Grafton heraus. Sie luden sie in den Krankenwagen, und danach hörte ich die Sirene und die Alarmglocke.
Eine Frau aus dem Vorderhaus sah zu. Sie schien ihre Neugierde verbergen zu wollen. Immer, wenn sie bemerkt hatte, daß ich sie beobachtete, wandte sie hastig ihr Gesicht ab, verließ sofort das Fenster und beschäftigte sich eifrig mit anderen Dingen. Aber gleich darauf konnte ich ihr Gesicht wieder an einem anderen Fenster sehen.
Ich ging zum Holzschuppen hinter dem Kistendeckelhaus. Niemand zeigte für mich Interesse.
Pancho war nicht in seinem Käfig.
Ich kletterte über das verstaubte Holz, blieb dabei mit dem Fuß am Griff eines alten Koffers hängen und begann, den Käfig zu durchsuchen. Im Hintergrund war mit Ästchen und Zweigen, die lose und kreisförmig aufgehäuft waren, ein Teil des Käfigs abgegrenzt. Mit der Hand gelang es mir, dieses Nest zu erreichen, und ich begann, darin herumzufingern. Ich spürte mit den Fingerspitzen einen harten, glatten Gegenstand, klemmte ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger und zog ihn mühevoll und vorsichtig heraus.
Selbst in dem trüben Licht des Schuppens leuchtete er in einem tiefen magischen Grün, das das Auge hypnotisch bannte.
Ich steckte ihn in die Tasche und griff wieder in das Nest. Aber ich fand weiter nichts und wollte die Suche schon aufgeben, als ich in einer anderen Ecke des Käfigs einen kleinen Haufen kieselartiger Steine entdeckte. Als ich sie in Händen hielt, erwiesen sie sich als vier weitere große Smaragde von ebenso schöner und tiefer Farbe wie der erste.
Nun vergewisserte ich mich, daß nicht noch mehr Smaragde in dem Käfig waren, und verließ dann den Schuppen.
Nachdem ich noch fünf oder zehn Minuten herumgestanden hatte trat Inspektor Buda aus dem Haus. Forsch kam er auf mich zu und fragte: »Was war mit dem Konfekt, Lam?«
»Sie aß davon.«
»Ich weiß, ich weiß. Wo hatte das Mädchen es her?«
»Ich bin hier selbst fremd, woher soll ich das wissen?«
»Aber das verfluchte Konfekt ist hier nicht fabriziert worden.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Hat Ihnen jemand davon angeboten?«
»Ja.«
»Wer?«
»Die Mutter.«
»Aber das Konfekt war schon im Haus, als Sie auf der Bildfläche erschienen?«
»Ich habe es nicht bemerkt, denn ich habe mich um andere Dinge gekümmert. Das Mädchen hielt mich für einen Reporter. Schließlich kann sie kaum jeden Reporter,
Weitere Kostenlose Bücher