Ein Sehnen Im Herzen
gewarnt, dass er sich auf unsicherem Terrain bewegte und behutsam vorgehen musste. Auch Penelope Van Court hatte im Speisezimmer etwas in der Richtung geäußert, war ihm aufgefallen. Als sie Fergus sah , lachte sie und sagte: »Na, der kann aber nicht von dir sein, oder, Emma? Er ist viel zu alt.« Emma, die den ganzen Abend über sehr viel - wenn auch nicht sehr überzeugend - gelacht hatte, hatte in diesem Moment nicht einmal gelächelt.
Da er spürte, dass dies ein Thema war, über das Emma keine Scherze vertrug, fügte er hinzu: »Ihr zwei wart ein knappes halbes Jahr verheiratet. Ich als Junggeselle bin in diesen Dingen natürlich nicht sehr beschlagen, aber soweit ich weiß, kann es bei manchen Frauen doppelt so lange oder noch länger dauern. Das ist nichts Ungewöhnliches, Emma.«
»Umso mehr Grund«, lautete Emmas spröde Antwort, »dass ich in diesem Sessel schlafe, weit weg von dir.«
James merkte zu spät, dass er mit seinem Vers u ch, Balsam auf eine Wunde zu legen, von der er eben erst erfahren hatte, vielleicht nur noch mehr Schmerz verursacht hatte. Und während er im Dunkeln lag und dem leisen Knistern des Feuers lauschte, vor dem Emma sich eingerollt hatte, schlugen seine Gedanken wie von selbst eine gefährliche Richtung ein, eine Richtung, in deren Nähe er sich in den letzten Monaten nie gewagt hatte. Und zwar zu der Frage, was genau im Schlafzimmer zwischen Stuart und Emma vorgegangen war.
Denn Emma war, wie er jetzt nur zu gut wusste, keine passive Partnerin im Bett. Sie schien einen gesunden Appetit auf Sünde zu haben.
Aber Stuart? James konnte es sich nicht vorstellen. Er konnte sich die beiden zusammen nicht vorstellen - und nicht nur, weil er es nicht wollte, natürlich wollte er es nicht. Er sah Stuart und Emma einfach nicht... so. Da er mittlerweile über Emmas großes Interesse an diesem Aspekt der Ehe Bescheid wusste und Stuart recht gut gekannt hatte, konnte er sich nicht denken, dass ihre Verbindung befriedigend oder glücklich gewesen war.
Dennoch konnte er Emma nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich zu seinem Cousin hingezogen gefühlt hatte. Sie hatte unmöglich ahnen können, was in dieser Hinsicht vor ihr lag. Schließlich war sie zu diesem Zeitpunkt eben erst aus dem Schulzimmer entlassen worden und, was eheliche Freuden anging, ebenso ahnungslos wie die meisten Mädchen ihres Alters und ihrer Herkunft. Es war Aufgabe ihrer Tante und ihres Onkels gewesen, sie vor einer unbedachten Heirat zu bewahren. Trotz James' Bemühungen hatten sie kläglich versagt.
Sie waren seiner Meinung nach ganz und gar für die momentane Situation ihrer Nichte verantwortlich.
Diese Situation empfand er allerdings nicht als so prekär, wie Emma es vielleicht tat. Denn auch wenn sie ihre Lage vermutlich als tragisch einschätzte - immerhin hatte sie notgedrungen eine nominelle Ehe mit einem Mann, der sie vor einem Jahr schnöde verraten hatte, eingehen müssen, um in den Besitz des Erbes zu gelangen, das ihr von dem Mörder ihres Ehemannes hinterlassen worden war sah James es anders. Auch wenn es ihr nicht bewusst war, sie wurde geliebt und zwar sehr. Irgendwann in nächster Zeit würde er sie von diesem Umstand in Kenntnis setzen müssen, da seine Handlungen es offenbar nicht deutlich genug machten.
Aber jetzt noch nicht. Nicht, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die offene Wunde erhascht hatte, die sie bis jetzt so sorgfältig verborgen hatte. Es musste noch einiges verheilen, ehe sie den Kopf heben und die Welt wieder als sicheren und freundlichen Ort sehen konnte. Alles, was sie im vergangenen Jahr erlebt hatte, war Schmerz. Er war überzeugt, dass sie für Liebeserklärungen nicht empfänglich war, weder von ihm noch von sonst jemandem, bevor sie ihr Selbstwertgefühl wiedergefunden hatte - und zwar wirklich, nicht die selbstbewusste Maske, die sie für ihre Familie und all jene aufgesetzt hatte, die Grund haben mochten, die unbeliebtesten Worte der Welt auszusprechen: Ich habe es dir ja gesagt.
Vor einem Jahr hatte er schon einmal gewartet, und wozu hatte es geführt? Seine große Liebe hatte einen anderen geheiratet.
Und doch war sie jetzt, zwölf Monate später, seine Frau. Dieses Mal konnte er es sich leisten zu warten. Ja, er konnte warten. Und er war überzeugt, dass sich seine Geduld bezahlt machen würde. Irgendwann, vielleicht schon in ein paar Wochen, würde ihr Schmerz nachlassen, und sie würde merken, dass er sich verändert hatte.
Mit diesem Wissen, hoffte er,
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