Ein Sehnen Im Herzen
stieß Emma aus. »Der Typhus war es.«
»Tatsächlich?«, sagte James verwirrt. »Aber warum glauben dann alle...«
»Weil ich es niemandem erzählt habe«, antwortete Emma. Sie starrte auf die Bürste in ihrem Schoß. »Was wirklich mit Clara passiert ist. Sie bat mich, es nicht zu tun. Sie ließ mich schwören... aber jetzt... aber jetzt glaube ich, ich muss es tun, weil... Ach, James.« Sie blickte auf, und er sah, dass Tränen in ihren Augen schimmerten. »Es geht um Stuart. Und Clara.«
James starrte sie an. Also, das war so ziemlich das Letzte, was er zu hören erwartet hätte. Sein Cousin und Lord MacCreighs Verlobte? Einen Moment lang war er so fassungslos, dass er glaubte, sich verhört zu haben. »Wie war das, bitte?«, fragte er.
»Ja«, sagte Emma und legte die Bürste hin. »Wir müssen über Stuart sprechen. Es ist großartig, dass du mich noch nie darum gebeten hast, aber ich glaube... ja, ich glaube, jetzt sollten wir es wohl tun.«
»Ich hatte eigentlich den Eindruck«, sagte James, der sich nichts sehnlicher wünschte, als sie in seine Arme zu nehmen und die Sorgenfalte wegzuküssen, die er wieder auf ihrer Stirn entdeckte, »dass du nicht über Stuart sprechen wolltest.«
»Das wollte ich auch nicht«, sagte Emma. »Aber jetzt tue ich es trotzdem.«
»Fein.« James ließ seinen Arm vom Kaminsims sinken und wünschte, er könnte nach Burroughs klingeln. Ein Whisky, fand er, war genau das, was er zu diesem Zeitpunkt brauchte. Er fürchtete, nicht den Mumm zu haben, das, was jetzt unweigerlich kommen musste, stocknüchtern zu verkraften. MacCreighs Verlobte und sein Cousin Stuart? Das war nicht möglich. Das war einfach nicht möglich. Aber es könnte ... könnte... die Erklärung für einiges sein. »Lass dich bitte nicht von mir aufhalten.«
Sie saß auf dem Hocker vor ihrem Frisiertisch, den Kopf noch immer gesenkt, den Blick anscheinend auf ihren Schoß geheftet. Bei n äh erem Hinsehen stellte sich allerdings heraus, dass ihre Augen, die so tiefblau wie die Juwelen um ihren Hals waren, nichts wahrnahmen. Was Emma vor sich sah, wusste er nicht.
»Er wurde getötet.« Ihre Stimme, die immer samtig und tief gewesen war und sich für James angenehm von den schrillen Stimmen der anderen Frauen abhob, die er kannte, bebte. Was Emma auch zu sagen hatte, es kostete sie viel. Viel, viel mehr, stellte er fest, als zehntausend Pfund.
»Das weiß ich«, sagte er sanft. »Von diesem O'Malley.«
»Du weißt, wie er getötet wurde«, sagte sie, »aber nicht, warum. Es war während des Höhepunktes der Typhusepidemie.« Emma hielt den Blick auf ihre Hände gesenkt. »Mrs. O'Malley - na ja, sie waren nicht richtig verheiratet, aber so nannten wir sie, um höflich zu sein - lag im Sterben. Tom O'Malley kam zu uns, weil Reverend Peck in einem anderen Haus war - in welchem, weiß ich jetzt nicht mehr -, und er hatte das Gefühl, dass... dass es Zeit wäre für die Sterbesakramente. Er war außer sich vor Kummer. Denn obwohl er und Ginnie - das war ihr Name - nie geheiratet hatten, waren sie viele Jahre zusammen gewesen und auf seine Art liebte er sie aufrichtig.
Aber Ginnie ... nun, sie war immer sehr eigenwillig gewesen. Sie ging nicht oft in die Kirche. Stuart redete ständig auf sie ein, öfter die Messe zu besuchen - oder sich wenigstens von Reverend Peck trauen zu lassen. Aber sie lachte ihn nur aus ... wie gesagt, sie war sehr eigenwillig. Sie empfand große Liebe zur Natur, und sie ärgerte Stuart gern, indem sie ihn fragte, wenn Gott die Erde mit allem, was darauf sei, geschaffen habe, warum er dann ihre Gebete nicht genauso gut auf den Schafweiden hören könne wie in der Kirche?«
Sie brach ab und drehte sich zu ihm um.
»Als wir in jener Nacht zu ihnen kamen - ich war mitgekommen, um zu sehen, ob ich vielleicht helfen könnte -, war Ginnie geistig noch völlig da. Sie lag im Sterben und war so schmal und grau und abgezehrt, dass ich sie kaum wiedererkannte. Aber ihr Verstand war so klar wie eh und je. Als Stuart zu der Stelle kam, wo es heißt, dass man seine Sünden bekennen soll, sagte sie ... also, sie sagte, das würde sie nicht tun, weil sie in ihren Augen keine Sünden begangen hätte. Als Stuart sie daran erinnerte, dass ihr Leben mit Mr. O'Malley eine einzige ständige Sünde gewesen wäre, da sie nie geheiratet hätten, lachte sie bloß ...«
Jetzt quollen die Tränen aus ihren Augen, aber Emma schien nicht zu merken, dass sie auf ihre nach oben gekehrten Handflächen
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