Ein Sehnen Im Herzen
Witwe seines Cousins empfand. »Ich kannte es beim Wunschbaum nicht.« Als er zu seinem Arger bemerkte, dass Emma immer noch mit dem Lachen kämpfte, erkundigte er sich: »Verzeihen Sie meine Unwissenheit, aber dürfte ich fragen, was genau ein Wunschbaum ist?«
»Sie haben noch nie einen Wunschbaum gesehen?« Murphy schüttelte seinen ergrauten Kopf. »Tja, dann gucken Sie mal aus dem Fenster. Wenn s ein Hai wäre, würd er Sie jetzt beißen.«
Diese Bemerkung schien Emma noch mehr zum Lachen zu reizen. Sie saß da mit zuckenden Schultern, das Gesicht in den Händen vergraben. James, der ganz und gar nicht erheitert war, schaute über ihren eingezogenen Kopf hinweg und sah sich durch die gesprungene Scheibe in der Kutschentür mit einem äußerst merkwürdigen Anblick konfrontiert. Eine Platane, an deren verwitterten Ästen, die in den grauen Himmel ragten, sich die ersten blassgrünen Blattspitzen zeigten, stand direkt neben einem tiefen Loch in der Straße. James hatte seit seiner Ankunft auf dieser kargen Insel etliche ähnliche Bäume gesehen, aber keiner von ihnen war am Stamm mit Schuhen verziert gewesen - Dutzenden von Schuhen.
Er kniff die Augen zusammen, aber das Bild blieb unverändert. Die Leute hier hatten ihre Schuhe an einen Baum genagelt. James entdeckte Stiefel, solide Arbeitsstiefel ebenso wie Schnürstiefeletten, Holzpantinen, Babyschuhe und Kindersandalen, hier und da sogar einen zierlichen Damenschuh, allesamt fest an den Baumstamm genagelt. Die meisten Schuhe schienen von Wind und Wetter mitgenommen, als würden sie schon geraume Zeit dort hängen. Aber einige von ihnen waren ziemlich neu, insbesondere ein Paar Herrenpantoffeln, die James irgendwie bekannt vorkamen. Es war ihm, als hätte er ein ganz ähnliches Paar seinem Cousin einmal zu Weihnachten geschenkt.
»Ach«, sagte er und lehnte sich wieder zurück. Was er wirklich dachte, nämlich, dass die Schotten seltsame Käuze wären, wagte er nicht zu sagen. »Wie interessant!«
Emma nahm die Hände vom Gesicht, lachte aber immer noch unkontrolliert. »Oh«, rief sie. »Oh, es tut mir wirklich Leid. Aber... aber Ihr Gesicht, als er sagte, wenn es ein Hai wäre, würde er Sie jetzt schon beißen - tut mir Leid!«
James begriff durchaus den komischen Aspekt dieser Situation, fand ihn aber bei weitem nicht so erheiternd, wie es offenbar bei Emma der Fall war. Wie konnte er auch angesichts der Tatsache, wie sein Herz geklopft hatte, als er unvermittelt die Witwe seines Cousins in den Armen hielt? Es gelang ihm jedoch, ein schwaches Lächeln aufzusetzen, nur um zu zeigen, dass er genauso viel Sinn für Humor hatte wie jeder andere.
»Ja«, sagte er. »So ist es. Genau.«
»Es bringt Glück, wissen Sie.« Der einäugige Trunkenbold auf dem Kutschbock spähte immer noch zu ihnen hinunter. »Einen Schuh an den Wunschbaum zu nageln, bringt Glück. Besonders für frisch Verheiratete.«
»O ja«, sagte Emma, die sich endlich wieder beruhigt hatte. »Stuart und ich haben unsere Schuhe auch gleich nach unserer Ankunft an den Baum genagelt. Ich finde, es ist ein schöner Brauch. «
Ein schöner Brauch vielleicht, aber Glück hat er Emma Van Court bestimmt nicht gebracht, dachte James bei sich.
Ihr Ehemann war tot und ihre Familie hatte sich von ihr losgesagt. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee gewesen, wenn Emma ihre Schuhe wieder abgenommen hätte. Wie es aussah, hatte ihr der Wunschbaum genau das Gegenteil von Glück gebracht.
Dann ging wieder ein Ruck durch die Kutsche - wenn auch lange nicht so heftig wie der vorige - und sie setzte sich in Bewegung. Kurz nach Verlassen des erbärmlichen Straßenstücks zwischen Emmas Cottage und dem Wunschbaum fuhren sie auf ebenerem Boden und bald konnte James durch die gesprungene Glasscheibe sehen, dass sie die so genannte Stadt Faires erreicht hatten; so genannt, weil in James' Augen das Vorhandensein einer Schänke, eines Gasthofs, eines Kaufladens, einer Schmiede und einer Kirche nicht unbedingt die Bezeichnung Stadt rechtfertigte.
Auf den Shetlands jedoch reichte das für eine geschäftige Metropole, insbesondere, da der Ort über eine Hafenanlage verfügte, wo zahlreiche Fischer ihren täglichen Fang ablieferten. Diese Männer hatten Frauen und Kinder, die in schäbigen Baracken oder kleinen Häuschen unweit vom Pier lebten, und offensichtlich waren es diese Kinder, die die Schule besuchten, an der Emma Van Court Chesterton unterrichtete. James war das Schulhaus vorher nicht aufgefallen, und
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