Ein Sehnen Im Herzen
das war auch kein Wunder. Denn als Murphy seine Pferde durch die schmalen Gassen lenkte und schließlich vor einer langen, felsigen Landzunge stehen blieb, die ins Meer hinein ragte, stellte James fest, dass das Gebäude, das in diesem Teil des Landes als Schule diente, gleichzeitig der Leuchtturm war.
So war es. Emma gab anscheinend im Erdgeschoss von Faires' einzigem und reichlich antiquiertem Leuchtturm Unterricht.
James hätte es nicht geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Ungefähr ein Dutzend Kinder in abgerissenen Kleidern tobte über die Felsen der Landzunge, auf der der Leuchtturm stand. Trotz des schlechten Wetters waren sie in ein merkwürdiges Spiel vertieft, das sie sich selbst ausgedacht hatten und bei dem ein Ball, der aus Lumpen zu bestehen schien, die Hauptrolle spielte. Ziel war, soweit James es beurteilen konnte, zu verhindern, dass der Ball nicht über den Rand des schmalen Landstreifens, auf dem sich der Leuchtturm befand, und ins Meer fiel - keine geringe Leistung, da das Stück Land kaum drei Meter breit war. Bei besonders heftigem Sturm standen die Felsen mit Sicherheit unter Wasser...
»So«, sagte Emma, als Murphy das Gefährt mit einem Ruck zum Stehen brachte. »Da wären wir.«
James riss seinen Blick von dem ungewöhnlichen Spielplatz los. Emma, stellte er fest, spähte an ihm vorbei. Anscheinend zählte sie die Kinder. Kein Wunder. Die Möglichkeit, dass eines oder mehrere von ihnen ins Wasser fielen, um nie wieder zum Vorschein zu kommen, war durchaus gegeben.
»Ja«, sagte er. »In der Tat.« Soviel stand fest. Was jetzt erforderlich war, war äußerst behutsames Taktieren seinerseits. Denn obwohl Emma offensichtlich daraufbrannte, ihn loszuwerden, konnte - wollte er nicht gehen. Nicht ohne sie.
Und nicht ohne Stuart, rief er sich in Erinnerung. Deshalb war er hier. Nicht wegen Emma, sondern wegen Stuart.
Aber nachdem er nun wusste, dass auch sie hier war, konnte er keinen von beiden mit gutem Gewissen auf dieser gottverlassenen Insel lassen.
Leider war ihm klar, dass es sehr schwer werden würde, Emma davon zu überzeugen.
»Es war sehr nett von Ihnen, den weiten Weg zu machen, nur um mich zu sehen«, sagte Emma. Seit sie die Fahrt angetreten hatten, hatte sie überlegt, welche Worte in diesem Moment - dem Moment des Abschieds - angebracht wären. Sie versuchte, genau den richtigen Ton höflicher Distanz zu treffen, als sie James ihre rechte Hand hinhielt und sagte: »Leben Sie wohl, Lord Denham. Trotz unserer früheren Differenzen hoffe ich, das s wir uns als Freunde trennen.«
James nahm ihre Hand in seine, noch bevor ihm klar war, dass sie Lebewohl sagte. Da er nicht die leiseste Absicht hatte abzureisen, zögerte er, unschlüssig, was er als Nächstes sagen sollte. Er war vielleicht genauso überrascht wie Emma, als sich das, was von seinen Lippen kam, als Entschuldigung entpuppte. »Emma«, hörte er sich sagen, »es tut mir Leid. Das mit Stuart, meine ich. Und das, was ich mit ihm gemacht habe an dem Tag, als Sie... na ja, als Sie mir erzählten, was Sie beide vorhatten. Nicht, dass ich finde, Stuart hätte richtig gehandelt, das tue ich nicht. Aber Sie sollten wissen, dass es mir aufrichtig Leid tut. Alles.«
Emma riss vor Erstaunen die Augen auf. Was sie auch als Antwort auf ihre kleine Rede erwartet hatte, eine Entschuldigung ganz sicher nicht. Eine Entschuldigung? Vom Earl von Denham? War so etwas überhaupt möglich? Sie hatte noch nie erlebt, dass sich James Marbury für irgendetwas in seinem Leben je entschuldigt hätte.
Er konnte es nicht ernst meinen. Und doch wirkte er aufrichtig.
Andererseits hatte sie sich von Lord Denhams Auftreten schon einmal täuschen lassen. Er hatte aufrichtig gewirkt an jenem Abend in seiner Bibliothek, als sie ihm von ihren und Stuarts Plänen erzählte. Und doch hatte er gleich darauf Stuart mit der Faust ins Gesicht geschlagen oder etwa nicht?
Nein, Lord Denhams Auftreten durfte man nicht trauen. Selbst wenn es, wie sie zugeben musste, durchaus vertrauenswürdig wirkte. Sie konnte zumindest versuchen, nicht allzu unversöhnlich zu sein ...
»Nun«, hörte Emma sich sagen, »ich denke, ich kann Ihnen verzeihen.«
Im nächsten Moment hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Ihm verzeihen? Dem Earl von Denham? Niemals! Niemals!
Aber da er vermutlich nur noch länger bleiben würde, wenn sie das laut aussprach, fügte sie stattdessen hinzu: »Richten Sie Ihrer Mutter liebe Grüße aus und danken
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